Im Rahmen der universellen Islamismusprävention stellt sich die zentrale Frage, wie Fachkräfte verschiedener Disziplinen optimal auf die Präventionsarbeit mit Jugendlichen vorbereitet werden können. Um dieser Frage zu begegnen, veranstaltete ufuq.de im September, in Zusammenarbeit mit acht Kooperationspartnern, eine zweitägige Fachtagung in Berlin, die Möglichkeiten für Austausch und Weiterbildung bot.
Fachkräfte aus den Arbeitsfeldern Medienpädagogik, Polizei- und Jugendarbeit, politische Bildung, Schule und Sport sowie Vertreter*innen von Kommunen und Behörden hielten spannende Vorträge und leiteten interaktive Workshops zu Themen, die ihnen in ihren jeweiligen Handlungsfeldern begegnen. „Bindung vor Bildung? Wie Schulen bei Islamismus und Antisemitismus multiperspektivisch beraten werden können“, „Religion in der Schule: Ein Fall für die Prävention?“ oder „Reclaim Social Media: Wie kann Demokratieförderung in und mit Medien gelingen?“ sind nur eine Auswahl der insgesamt neun angebotenen Workshops.
Den ersten Tag eröffnete Dr. Götz Nordbruch mit seiner Keynote „TikTok, Andrew Tate und Nahostkonflikt – Herausforderungen für die universelle Islamismusprävention“. In einem kurzen Rückblick richtete er seinen Blick zunächst auf bisherige Errungenschaften der Islamismusprävention. Dem Vorwurf, die Akteurslandschaft der Islamismusprävention sei zersplittert und ähnele inzwischen einem „Wildwuchs“, widerspricht Nordbruch. Er betonte, dass interdisziplinäre Zugänge zu einem solch dynamischen Phänomen wichtig seien und dass die Ausdifferenzierung der Ansätze vielmehr den aktuellen Forschungsstand zu Radikalisierungsprozessen spiegele. Mit Blick auf die zunehmende Bedeutung von Social Media für Radikalisierungsprozesse stellte Nordbruch die Frage, wie alternative Angebote der Islamismusprävention gestaltet sein können bzw. müssen, um für junge Menschen attraktiv zu sein.
Nach der Keynote ging es dann in die Foren. Im Forum „Islamismusprävention in der Polizeiarbeit: Good Practices und Hürden bei der Kooperation mit der Zivilgesellschaft“ stellten bundesweite Vertreter*innen der Polizei ihre Arbeit im Bereich Extremismusprävention vor. Welche Rolle spielen polizeiliche Angebote im Rahmen universeller Prävention und wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit anderen gesellschaftlichen Bereichen wie Schule und Jugendhilfe? Zu diesem Thema diskutierten 30 Teilnehmende mit Polizist*innen aus unterschiedlichen Bundesländern, darunter die Polizei Baden-Württemberg, die Polizei Niedersachsen und die Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK).
Das Forum „Reclaim Social Media: Wie kann Demokratieförderung in und mit Medien gelingen?“ wurde von Georg Materna vom JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis gestaltet. Nach einem Input zum Thema demokratiegefährdende und extremistische Inhalte auf Social Media und wie ihnen mit Präventionsprojekten begegnet werden kann, übergab Georg an Serkan Ünsal von medialepfade aus Berlin, der den Teilnehmenden neue Methoden aus dem Bereich Social Media mitgebracht hatte. Diese konnten gemeinsam ausprobiert und diskutiert werden.
Am Nachmittag des ersten Tages diskutierten Saskia Lanser (Plan P./Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz NRW), Ramses Oueslati (LI Hamburg), Jouanna Hassoun (Transaidency) und Anne Steckner (RAA Brandenburg) unter dem Titel: „Feuer löschen oder Türen öffnen“ gemeinsam mit Sakina Abushi und Yunus Yaldiz von ufuq.de die Frage, wie Islamismusprävention in Regelstrukturen gelingen kann.
Sie berichteten zunächst von ihren Erfahrungen während der letzten zehn Jahre in den jeweiligen Handlungsfeldern, um dann gemeinsam über aktuelle Herausforderungen und nötige Anpassungen zu diskutieren. Eine besondere Herausforderung, die auf dem Panel zur Sprache kam, war die Situation in Deutschland nach dem 7. Oktober und dem Krieg in Gaza. Jouanna Hassoun stellte dar, wie sehr die aktuelle Gewalt in Nahost ihre Arbeit mit deutschen Jugendlichen beeinflusst und äußerte ihre Sorge vor einer zunehmenden Radikalisierung unter Jugendlichen, aber auch Erwachsenen. Anne Steckner teilte Erfahrungen aus der direkten Zusammenarbeit mit der Polizei in Brandenburg. Sowohl Ramses Oueslati als auch Saskia Lanser betonten die Wichtigkeit klarer Strukturen zur Bearbeitung problematischer Verhaltensweisen und Äußerungen im schulischen Bereich.
Der Nahostkonflikt war auch am zweiten Veranstaltungstag Thema. Den Auftakt bildete ein Input des Sozialwissenschaftlers Hans Goldenbaum von der Halleschen Jugendwerkstatt, den er mit einem Fallbeispiel aus seiner Arbeit eröffnete. Sein Vortrag beleuchtete die Herausforderungen, die sich im (sozial-)pädagogischen Kontext bei der Auseinandersetzung mit dem Nahostkonflikt ergeben. Eine zentrale Fragestellung lautete: Wie geht man damit um, wenn Kanäle und Diskurse, über die Jugendliche sich Informationen aneignen, unbekannt oder fremdsprachig sind bzw. „Insider-Wissen“ voraussetzen? Als besondere Herausforderung benannte Goldenbaum, dass der Nahostkonflikt auch unter Fachkräften kontrovers diskutiert wird, was sowohl analog als auch digital zur Bildung von „Filterblasen“ geführt habe. Die politische Bildungsarbeit bewege sich dadurch in einem Spannungsfeld, in dem sie eine Balance finden müsse zwischen Fachlichkeit und Haltung sowie zwischen Beziehungs- und Bildungsarbeit. Letztendlich, so Goldenbaum, rücke der Konflikt die fundamentale Frage in den Vordergrund, wie wir miteinander umgehen und streiten wollen.
Besonders dankbar waren wir auch für unsere Moderatorin Dilek Üsük, die durch die beiden Tage führte und dafür sorgte, dass keiner der zahlreichen Programmpunkte zu kurz kam.
Nicht zuletzt trugen auch die wunderschöne Location, deren Außenbereich von den Teilnehmenden zum regen Austausch genutzt wurde, sowie die tolle Verpflegung durch die Schankhalle Pfefferberg zu einer rundum gelungenen Veranstaltung bei, von der die Teilnehmenden hoffentlich noch lange zehren werden.
Weitere Eindrücke von unserer Fachtagung: