Im Rahmen des EU-Forschungsprojekts „CONTRA (Countering Propaganda by Narration Towards Anti-Radical Awareness)“ wurden zwischen 2016 und 2018 im Schulunterricht anwendbare Einheiten entwickelt, die Lehrer*innen konkrete Werkzeuge für die Präventionsarbeit gegen extremistische Propaganda im Internet an die Hand geben.
Die Entwicklung und Evaluation innovativer Methoden und Materialien zur gezielten Förderung der kritischen Medienkompetenz von Schüler*innen knüpft an Ergebnisse medienpsychologischer Forschung zu Wirkungsweisen von Propaganda und Counter-Narrativen sowie an aktuelle Ergebnisse der Radikalisierungsforschung an.
Ziele
Ziele der Präventionsarbeit von CONTRA sind:
Das Bewusstsein Jugendlicher bezüglich der Präsenz und Wirkweise radikaler Botschaften im Netz zu stärken,
Jugendliche zur kritischen Reflexion von Propagandainhalten anzuhalten und
Jugendliche zur Teilnahme an sozialen bzw. medialen Diskursen über Extremismus zu befähigen.
Mithilfe von Expertinnen und Experten der Erziehungswissenschaft und der Medien- und Kommunikationspsychologie der Universitäten zu Köln und Mannheim, des zivilgesellschaftlichen Präventionsakteurs ufuq.de sowie von Sicherheitsbehörden in Deutschland, den Niederlanden und Österreich wird das Präventionsprogramm zunächst entwickelt und anschließend an Schulen in Deutschland erprobt und evaluiert. Die Materialien und Methoden sowie best-practice-Empfehlungen zur Vermittlung kritischer Medienkompetenz in Schulen werden publiziert. Anschließend werden die Methoden den EU-Mitgliedsstaaten zur Adaption zur Verfügung gestellt. Ein solches Projekt ist in Europa bislang einzigartig und besitzt hierdurch Modellcharakter.
Zielgruppe
Zielgruppe von CONTRA sind nicht ausschließlich Lehrerinnen und Lehrer, sondern auch andere Multiplikator*innen, denen konkrete Handlungsmöglichkeiten zur Prävention eröffnet werden sollen. Auch Wissenschaftler*innen, die durch ihre Forschung mit dem Themenkomplex in Berührung kommen, erhalten über das Projekt CONTRA Zugang zu Informationen aus den Themenfeldern Prävention, Propaganda und Counter-Narrative im Kontext gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.
Problemstellung
Das Internet hat sich in den vergangenen Jahren auch für rechtsextremistische und islamistische Gruppen zu einem bedeutenden Instrument entwickelt, mittels dessen sie ihre Botschaften in jugendaffinen Videoformaten mit Musik und Bildern kommunizieren und so Aufmerksamkeit auf sich lenken. Die Wirkung extremistischer Inhalte im Internet auf besonders schutzbedürftige Gruppen wie Jugendliche lässt sich unter anderem anhand des Interesses und Zuspruchs für extremistische Botschaften beobachten. Diese Botschaften können bei bestimmten ungünstigen Rahmenbedingungen Radikalisierungsprozesse auslösen oder befördern. In zahlreichen Fällen haben entsprechende Onlineeinflüsse beispielsweise Ausreisen ausländischer Kämpfer, sogenannter Foreign Fighters, motiviert.
In der Regel entwickeln Jugendliche ab dem 13. oder 14. Lebensjahr ein soziales und politisches Bewusstsein. Themen wie Werteorientierung, Sinnhaftigkeit, Religiosität, Zugehörigkeit und Identität prägen in dieser Phase ihre Lebenswelten. Sie stehen wichtigen Fragen offen und neugierig gegenüber, haben jedoch nicht immer die erforderlichen Fertigkeiten, um Informationen kritisch zu hinterfragen und differenziert zu betrachten. Gleichzeitig verfügen sie in vielen Fällen nicht in ausreichendem Maße über aufmerksam handelnde, soziale Unterstützungssysteme wie Familie und Freunde.
Der primärpräventive und phänomenübergreifende Ansatz von CONTRA, richtet sich an alle Schülergruppen, unabhängig von ethnischen oder religiösen Hintergründen. Um der Beeinflussung und Verführung junger Menschen durch extremistische Botschaften bereits im Frühstadium entgegenwirken zu können, sollten ihr Bewusstsein für Propagandamechanismen, wie etwa Manipulation, geschärft und kritisches Hinterfragen gefördert werden.
Das von CONTRA entwickelte Präventionsprogramm wird in die normalen Regelstrukturen der Jugendlichen integriert. Das bedeutet, dass sie in der Schule den kritischen Umgang mit Onlinematerialien erlernen und sich mit handlungs- und lebensweltorientierten Fragen auseinandersetzen, die einfache Antworten und schwarz-weiß-dominierte Denkmuster in Frage stellen. Auf diese Weise entwickeln die Jugendlichen eine kritische Medienkompetenz und lernen, extremistische Ansprachen im Internet zu erkennen, zu reflektieren und einzuordnen und somit sowohl online als auch offline eigene kritische Positionen zu entwickeln.
Die Mitarbeiter*innen von CONTRA untersuchen die Sichtbarkeit, die Reichweite und den Kontext extremistischer Videos sowie von Videos, die sich gegen Extremismus richten, um relevantes Material für Bildungszwecke zu identifizieren. Darauf aufbauend wird ein prototypisches Lehrkonzept entwickelt. Dieses Lehrkonzept besteht aus drei Kompetenzen:
Die Medienkompetenz wird im Sinne der Vermittlung von Konzepten und Techniken zur Analyse medialer Botschaften und manipulativer Strategien vermittelt.
Die Diskurskompetenz befähigt die Jugendlichen dazu, mithilfe der neu erworbenen Fähigkeiten mit Gleichaltrigen und Eltern in Diskussion zu treten.
Die Handlungskompetenz beinhaltet den Transfer dieses Wissens durch die Unterstützung pädagogischer Simulationsspiele.
Die geeigneten Methoden werden für den Einsatz im Unterricht entwickelt, erprobt und evaluiert. Jugendliche werden ermutigt, sich an der Interaktion zu lebensweltorientierten Themen zu beteiligen. Die damit verbundenen Lern- und Bildungsprozesse werden pädagogisch begleitet.
Projektpartner
- Forschungs- und Beratungsstelle Terrorismus / Extremismus (FTE) des BKA (Projektleitung)
- Lehrstuhl für Medien- und Kommunikationspsychologie im Department Psychologie der Universität zu Köln
- Lehrstuhl Interkulturelle Bildungsforschung – Institut für vergleichende Bildungsforschung und Sozialwissenschaften an der Universität zu Köln
- Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaften der Universität Mannheim
- Nationale Koordinator für Terrorismusbekämpfung und Sicherheit der Niederlande
- Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung in Österreich