„Wovon träumst du eigentlich nachts?“– Podcast zurück mit zweiter Staffel!
15. Juni 2022 | Jugendkulturen und Soziale Medien

WTDEN_Header. Bild: ufuq.de

Wir melden uns zurück mit der zweiten Staffel unseres beliebten Podcasts „Wovon träumst du eigentlich nachts?“, dieses Mal mit unseren Kolleg*innen Pierre Asisi und Fatma Sayan, die bei ufuq.de das Modellprojekt kiez:story koordinieren.

Im Modellprojekt kiez:story suchen Jugendliche nach Geschichtszeugnissen in ihrem Kiez und familiären Umfeld. Pierre und Fatma erzählen uns von Schawarma-Expeditionen, der Migrationsgeschichte der Currywurst und den ganz normalen Herausforderungen eines Modellprojekts und träumen von den Geschichtsbüchern der Zukunft, in denen alles ein bisschen inklusiver zugeht.


 

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Die Folgen erscheinen einmal im Monat und sind über den Audioplayer und auf Spotify streambar.

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Mehr Informationen zu kiez:story findet ihr auf der Webseite des Projekts oder auf dem kiez:story Instagram-Kanal.


Transkription der Folge

Maryam:

Hallo zurück aus unserer längeren Pause. Wir freuen uns, dass ihr wieder dabei seid, bei einer neuen Folge „Wovon träumst du eigentlich nachts?“. Mein Name ist Maryam.

Jenny:

Und mein Name ist Jenny.

Maryam:

Und mit uns, in unserem kleinen, bescheidenen Studio in Berlin-Kreuzberg in der Wassertorstraße sitzen unsere lieben Kolleg*innen von kiez:story. Habt ihr mal Lust, euch vorzustellen?

Fatma:

Dann fange ich mal an. Erstmal vielen Dank, dass wir hier sein dürfen und können. Ich bin Fatma und ich arbeite seit Beginn des Modell-Projekts kiez:story bei ufuq.de, also seit 2020. Ich mache die Koordinationsstelle, also sehr viel Büroarbeit. Ich studiere noch nebenbei Psychologie und bin seit vielen Jahren schon in der politischen und kulturellen Bildung tätig.

Pierre:

Ja, und ich mache direkt weiter. Ich bin Pierre. Ich bin seit 2017 bei ufuq, davor habe ich in Wien Politikwissenschaft studiert. Offizielle Tätigkeitsbeschreibung: Projektleitung. Heißt nichts anderes, als dass ich mich ein bisschen länger, als ich eigentlich mir wünsche, mit Excel-Tabellen und Anträgen rumschlagen muss. Ist aber trotzdem ein cooler Job, weil ich überall so ein bisschen drin bin und auch vor allen Dingen mit der Konzeption zu tun habe. Da geht es darum, welche Übungen wir im Projekt kiez:story entwickeln.

Maryam:

Worum geht es denn eigentlich genau bei kiez:story? Was macht ihr da, was wollt ihr mit dem Projekt so erreichen?

Pierre:

Also, es ist zuallererst ein Modellprojekt. Das heißt, es ist noch nicht etabliert. Wir probieren noch ein bisschen aus und arbeiten mit vier Modellschulen zusammen. Und zwar in AGs, in Arbeitsgemeinschaften in Schulen. Das heißt, Jugendliche melden sich am Anfang vom Jahr bei uns im Projekt an, in unserer AG, und machen dann über das ganze Jahr bei uns mit. Und das fängt relativ easy an, am Anfang zum Beispiel geht es ein bisschen darum, was ist dein Ort? Was interessiert dich daran? Wo hängst du so ab in Berlin? Und dann machen wir auch viele Exkursionen und ganz am Ende geht es auch darum, dass man zum Beispiel Interviews in seinem sozialen Umfeld führt. So wie man es in einer Journalist*innen-Ausbildung macht. Am Ende gibt es eine eigene Ausstellung, wo das Ganze dann veröffentlich wird. Wir haben auch einen Instagram-Kanal, wo man einen ganz guten Einblick bekommt.

Maryam:

Für alle, die jetzt gerne kiez:story auf Instagram finden wollen: Das macht ihr einfach, indem ihr kiez:story eingebt. Also, ihr habt jetzt gerade darüber geredet, dass Jugendliche sich mit ihrem Umfeld auseinandersetzen. Was haben denn Kieze oder Orte für Bedeutungen für Jugendliche?

Fatma:

Das ist der Punkt, das wollen wir erfahren. Wir haben erstmal mit einfachen Themen versucht, da anzuknüpfen. Sowas wie Essen. Jeder mag Essen. Was esst ihr gerne im Kiez? Was ist euer Lieblingsladen? Und da haben sich die Jugendlich dann einen Laden ausgesucht und haben den Ladenbesitzer interviewt. Danach haben wir eine Umfrage gestartet, ob Schawarma oder Döner besser ist.

Jenny:

Was hat gewonnen?

Fatma:

Das war sehr knapp. In den Klassenzimmern sitzen Jugendliche mit sehr unterschiedlichen Biografien, Erfahrungen sowie Wert- und Normvorstellungen zusammen. Sie kommen aus unterschiedlichen sozialen Milieus, machen unterschiedliche Erfahrungen von Diskriminierung und rassistischen Zuschreibungen und eignen sich unterschiedliche Handlungsstrategien im Umgang damit an. Eine Herausforderung für pädagogische Fachkräfte ist es, Handlungen, Forderungen oder Äußerungen, die Jugendliche selbst mit ihrer Religion oder Kultur begründen, zu hinterfragen, beziehungsweise diese ins adoleszenztypische Verhalten von Jugendlichen zu übersetzen. Wenn also Jugendliche ihre Handlungen mit der Aussage „Das ist aber so in meiner Religion“ oder „Das schreibt mir meine Religion so vor“ legitimieren, ist es hilfreich, diese Äußerung mit Blick auf die Lebensrealität der Jugendlichen zu interpretieren.

Pierre:

Das war auf jeden Fall keine repräsentative Umfrage! Aber ging in Richtung Schawarma natürlich, aber auch weil wir in einem Schawarma-Laden waren, bei Shaam in der Karl-Marx-Straße. Alle lieben Essen, das Tolle daran ist, dass es auch viele Themen dahinter gibt, zum Beispiel Migration. Wie ist der Laden entstanden? Wie hat der der Besitzer es geschafft, das so aufzubauen? Da wird es dann schon spannender. Wir probieren, mit einfachen Themen reinzugehen, aber dahinter kommen dann die interessanten Sachen. Auch bei anderen Exkursionen, die wir gemacht haben. Im Kiez kommen wir schnell auf Themen wie Gentrifizierung. Das ist so ein Begriff, den viele Jugendliche gar nicht präsent haben, den sie aber im eigenen Leben erfahren. Was heißt Verdrängung? Welche Probleme gehen damit einher, dass die Mieten permanent steigen? Wir sagen nicht, heute geht es um Gentrifizierung, vielleicht ist es ja auch gar nicht so relevant in der Gruppe. Aber manchmal wird es dann eben zum Thema, indem man solche Exkursionen macht.

Jenny:

Ihr habt ja gerade von dem Schawarma-Imbiss erzählt, in dem ihr wart. Das finde ich immer noch total interessant, wenn man sich das so klarmacht, dass es vor 40 Jahren oder so ja eigentlich nur „gute deutsche Küche“ gab, wo man dann irgendwie Bratwurst oder Schweinsbraten oder so essen konnte. Und wie sich das jetzt, gerade hier natürlich in Berlin, verändert hat und man so eine Auswahl an verschiedenen Küchen aus verschiedenen Ländern hat. Das hat ja ganz viel mit Migration zu tun. Ich kann mir vorstellen, dass da auch total viele interessante Geschichten hinter stehen.

Pierre:

Ja, genau. Deshalb ist es auch so ein spannendes Thema. Wenn man sich das zum Beispiel anguckt, stellt sich die Frage: Was ist heutzutage überhaupt „gute deutsche Küche“? Ich meine, das bekannteste deutsche Gericht ist wahrscheinlich der Döner. Das ist jetzt nichts Neues, aber selbst die Currywurst hat eine Migrationsgeschichte. Eigentlich hat jeder Laden eine interessante Geschichte zu erzählen. Das sind ja auch wahnsinnige Hürden, die da genommen werden. Administrativ, was die alles regeln müssen. Wir alle wissen, wie schwierig das ist, in Deutschland seinen Papierkram zu erledigen. Und das ist nur ein ganz kleiner Aspekt davon. Und gleichzeitig ist es auch spannend, dass viele von denen, gerade in migrantischen Communities, Familienbetriebe sind. Das heißt, du hast auch immer eine Familiengeschichte, die du erzählen kannst. Das ist dann ganz gut erfahrbar für Jugendliche. Wir fragen übrigens natürlich auch in der AG: „Hey, habt ihr in eurem Umfeld einen Laden, den ihr gerne mal besuchen wollen würdet?“ Das sind eigentlich immer spannende Geschichten, die man dabei erfahren kann.

Jenny:

Ja, das kann ich mir vorstellen.

Maryam:

Was ist die spannendste Geschichte, die ihr bei kiez:story mitgenommen habt für euch?

Fatma:

Die spannendste Geschichte war aus unserem Miniprojekt „Meine Story“. Da haben wir mit fünf verschiedenen Jugendlichen zusammengearbeitet, die bereit waren, Interviews in ihren Familien durchzuführen. Sei es die Oma, die Mutter oder der Onkel. Das war sehr, sehr spannend. Die Jugendlichen haben das komplett selbst erarbeitet, die Interviews selbst geführt, den Videoschnitt selbst gemacht. Sie wurden quasi ihre eigenen Expert*innen. Und das, was mich auch auf jeden Fall sehr, sehr berührt hat, war die Geschichte von einer Schülerin und ihrer Mutter. Sie hat ihre Mutter interviewt, auch zu ihrer Fluchtgeschichte. Dieser Moment, in dem die Jugendlichen die Möglichkeit hatten, zu erleben, „Okay, das ist nicht meine Mama, sondern das ist auch eine Person, die ihre eigene Geschichte hat, unabhängig von ihrer Mutterrolle“, also dass die Jugendlichen die Möglichkeit hatten, das zu verstehen und daraus auch gewisse Beziehungen zu ihren Eltern aufzubauen. Das war sehr, sehr spannend für mich. Eine Schülerin meinte am Ende: „Okay. Ich verstehe jetzt meine Mutter viel, viel besser. Ich verstehe, warum sie mich so erzogen hat, wie sie mich erzogen hat. Warum sie gewisse Sachen so getan hat, wie sie es getan hat. Und welche Traumata sie erlebt hat. Und was das mit mir gemacht hat und was das für einen Einfluss auch auf mich hatte.“ Dass sie sich selbst dadurch besser kennengelernt hat und dass es so eine empowernde, also eine stärkende Wirkung hatte, das fand ich sehr, sehr spannend. Das war so ein Moment: „Okay. Wir haben es geschafft.“ Dieser moment hat das, was wir im Projekt erreichen wollten, sogar übertroffen. Das war für mich ein sehr, sehr schöner Moment.

Pierre:

Das Projekt kann einen auch manchmal nervös machen. Man kennt den Outcome nicht. Man weiß noch nicht, wie die Gruppe tickt. Viele wollen zum Beispiel einfach nicht vor der Kamera stehen. Sie sind vielleicht auch ein bisschen skeptisch, einfach so ihre Familiengeschichte zu teilen. Und das muss man auch respektieren. Aber man freut sich natürlich über die ein, zwei in der Gruppe, die sich mitteilen möchten. Die das in die Öffentlichkeit tragen möchten. Die Geschichten haben eine gesellschaftliche Relevanz, auch über die AG hinaus. Teilweise kommen da sehr spannende Geschichten zu Tage. Aber man sollte es auch gar nicht zu krass lenken und sich einfach überraschen lassen, was da am Ende vom Prozess rauskommt. Das Projekt hat uns beide auf jeden Fall so aus den Socken gehauen. Es war toll, wie darüber reflektiert wurde. Ein anderer Jugendlicher hat seinen Onkel interviewt, über den Moment, wie er nach Berlin kommt, am Kottbusser Tor landet und von einem Taxifahrer Hilfe bekommt. Und überhaupt, diese Sprachbarriere ganz am Anfang noch mal so erfahrbar zu machen. Letztendlich weiß man, dass die Geschichte mit einem Happyend ausgeht, weil der Junge gerade sein Abitur geschafft hat.

Fatma:

Wir begleiten die Jugendlichen ein ganzes Jahr. Das heißt, wir haben auch Zeit, denn wir können nicht von Anfang an erwarten, dass es so schnell um intime und emotionale Themen geht. Wir haben die Zeit, uns kennenzulernen und ihnen auch die Möglichkeit zu geben, dass sie irgendwann bereit sind, persönliche Familiengeschichten zu erzählen.

Maryam:

Ich kann mir vorstellen, dass man sich viel besser kennenlernt und noch mehr Verständnis füreinander bekommt, wenn man solche persönlichen Geschichten teilt. Warum ist es denn so wichtig, migrantische Lebensgeschichten zu erzählen?

Fatma:

Es ist wichtig, weil sehr oft nur über sie erzählt wird. Die Menschen, die hinter diesen Geschichten stehen, deren Perspektive, was für Schwierigkeiten sie hatten oder wie das Ankommen in Deutschland war, das nimmt sehr wenig Raum ein. Es wird meistens mehr aus der Mehrheitsgesellschaft berichtet. Zum Beispiel das Thema Gastarbeiter. Im Geschichtsunterricht wurde das mal ganz kurz erwähnt. Aber wie war es für diese Gastarbeiter, für diese Menschen, hierher zu kommen? Wie waren ihre Erfahrungen damals? Davon wird kaum erzählt oder berichtet. Das hat unsere Gesellschaft mit geprägt und mit aufgebaut. Es ist sehr, sehr wichtig, dass diese Geschichten erzählt werden, damit wir voneinander lernen und einander besser verstehen. Ich glaube, wenn Jugendliche ihre eigenen Lebensgeschichten erzählen, dass es irgendwo auch einen stärkenden Moment hat, zu erkennen: „Ja, okay. Krass. So ganz anders ist das bei dir auch nicht gewesen. Nicht nur ich habe das erlebt, sondern das ist etwas viel Größeres.“ Es kann Jugendliche stärken, wenn sie sehen, ich bin nicht allein mit dem, was ich erlebt habe. Und deswegen finde ich es sehr wichtig, auch Geschichten zu erzählen und dass sie gehört werden und dass man sich dadurch untereinander stärken kann in den Communities.

Maryam:

Wenn man mit dieser Brille durch Kieze läuft, dann sieht man ja nur noch Geschichten. Wenn wir jetzt über Restaurants reden, dann sieht man auf einmal ein ganz, ganz breites Spektrum an verschiedenen Lebensgeschichten, die im regulären Geschichtsunterricht nicht stattfinden.

Jenny:

Fatma, du hattest ja gerade schon Gastarbeiter*innen erwähnt. Was wären denn noch so Geschichten, wo ihr sagt, die fehlen im jetzigen Geschichtsunterricht?

Pierre:

Ich habe durch unseren Teamendenpool und durch das Projekt viel dazu gelernt. Zum Beispiel das Kapitel der Vertragsarbeiter*innen. Das ist sozusagen das Pendant, wenn man es mal so verkürzt darstellen will, der Gastarbeiter*innen im Osten. Menschen, die als Arbeitsmigrant*innen nach Ostdeutschland gekommen sind, in die ehemalige DDR, und dort ja wirklich total ausgebeutet wurden. Ich habe sogar selber Wurzeln in Ostdeutschland und ich wusste nichts von diesem Teil der Geschichte. Das fehlt zum Beispiel komplett im deutschen Geschichtsunterricht. Dann kann man sich natürlich auch streiten, gerade finden ganz spannende Diskussionen über das koloniale Erbe Deutschlands statt. Das wird sehr verklärt dargestellt und ist auch nur eine kleine Randnotiz im Unterricht, obwohl es bis heute sehr viele Auswirkungen hat und viele Sachen nicht aufgearbeitet sind. Auch zu solchen Themen arbeiten wir mit Kiezbezug, weil gerade auch in den Berliner Bezirken spannende Sachen passieren, zum Beispiel Straßenumbenennungen. So kann man solche größeren Themen dann wieder eincatchen, wenn man sich einfach bewusst mal im Stadtraum bewegt und guckt, nach wem ist eigentlich diese Straße benannt? Wieso ist das vielleicht problematisch? So kommt man auf Themen, die vermeintlich schon lange zurückliegen.

Maryam:

Ihr hattet ja vor Kurzem eine Ausstellung, für die ihr euch einen ganz spannenden Ort ausgesucht hattet, das Kottbusser Tor. Warum genau dort?

Fatma:

Kotti ist so ein Ort, der viele, viele Themen vereint, Gentrifizierung, Armut, Kriminalität und alles, womit die Jugendlichen, auch wenn sie diese Begrifflichkeiten nicht genau benennen können, in ihrem Leben doch spüren. Kotti ist auch für mich persönlich ein sehr wichtiger Punkt in Berlin, ein Ort, der auch meine verschiedenen Heimaten oder Identitäten vereint. Der Ausstellungsraum war dann auch sehr interessant (lacht).

Jenny:

Na, da bin ich jetzt gespannt. Ihr lacht.

Fatma:

Ja, weil der Ort außen sehr, sage ich mal, sehr Kotti-haft ausschaut und wir schon Nachfragen hatten von Schülern: „Ja, hm, kann ich meinen Vater mitbringen? Sieht es innen auch so aus wie von außen? So mit Graffiti und alles?“ Ich so: „Nein, nein. Ist alles schön. Auf jeden Fall kannst du ihn mitbringen.“ Diese Rückmeldung war auf jeden Fall interessant.

Pierre:

Die Location, das West-Germany, das war mal eine Praxis, heute ist das ja so ein Veranstaltungs- und Clubraum. Im Rahmen der Ausstellung haben wir auch kleine Kieztouren drum herum gemacht. Waren zum Beispiel im Café Kotti oder bei Bizim Kiez, denn das wollen wir natürlich auch nicht runterfallen lassen. Ja, es gibt Verdrängung, aber es gibt auch Initiativen dagegen, wie zum Beispiel „Deutsche Wohnen enteignen“. Im Sinne der politischen Bildung ist es natürlich gut, wenn Jugendliche mal davon gehört haben und sehen, dass es Partizipationsmöglichkeiten gibt. Da passiert viel und da ist natürlich Kotti einer von vielen Orten in Berlin, wo das auch sichtbar wird. Es gibt soziale Kämpfe und die Geschichte wird nicht einfach geschrieben und du bist nur eine Träne im Ozean. Man hat auf jeden Fall einen kleinen Gestaltungsspielraum. Wenn wir das Thema im Geschichtsunterricht betrachten, dann sehen wir auch, dass es heute aktive Bestrebungen gibt, da auch andere Perspektiven zuzulassen. Und das ist natürlich ein schwieriger Weg, aber man muss sich auf jeden Fall nicht so ohnmächtig fühlen. Das ist auch ein kleiner Wunsch im Projekt, das zu fördern, dass Jugendliche selber aktiv werden. Und selbst, wenn es nur darum geht, die eigene Geschichte zu erzählen, das ist auch schon ein großer Beitrag.

Jenny:

Jetzt haben wir aber fast ein bisschen unter den Tisch fallen lassen, was ihr genau bei der Ausstellung gemacht habt. Das interessiert mich jetzt doch noch mal.

Fatma:

Wir haben die Premiere unseres Projekts „Meine Story“ gefeiert. Es war sehr schön, wie erfreut die Jugendlichen waren, ihre eigenen Videos und ihre eigenen Geschichten auf der Leinwand zu sehen. Wir arbeiten viel mit Fotografie und Videos und haben diese Resultate unserer Arbeit ausgestellt. Wie Pierre auch schon gesagt hat, hatten wir eine Woche lang Exkursionen, durch die noch mehr Content reingekommen ist, also noch mehr Fotos, die wir auch wieder auf der Ausstellung gezeigt haben. Den Schüler*innen wurde die Möglichkeit gegeben, sich mit dem Raum Kottbusser Tor auseinanderzusetzen. Für einige Jugendliche war es das erste Mal, dass sie am Kotti waren. Und das war sehr spannend für sie.

Maryam:

Also ich sehe hier mindestens eine Person im Raum, die total Lust bekommen hat, bei euch mitzumachen. Wie kann ich bei euch mitmachen, an wen kann ich mich wenden?

Pierre:

Wir sind ja ein Modellprojekt und arbeiten direkt mit unseren vier Schulen. (Maryam: Oh schade!) Aber ich habe gute Nachrichten. (Fatma: Wartet. Das ist noch nicht alles.) Auf besagtem Instagram-Kanal könnt ihr uns immer anschreiben, wenn ihr eine Idee habt. Es gibt außerdem die Möglichkeit, sich auf unserer Seite für kleine Projekte zu bewerben. Es ist ja auch wegen Corona viel ausgefallen. Also, wenn ihr euch denkt: „Ey, ich würde gerne mit Kamerabegleitung in den und den Laden gehen, irgendwas vorstellen oder ein Interview mit meiner Tante führen oder so. Die hat viel zu erzählen“, dann sind wir sehr gespannt auf die Idee und sind da auch sehr offen dafür. Also schreibt uns einfach über Instagram an und wir freuen uns eigentlich über jede Anfrage, die da kommt.

Maryam:

Also Leute, wenn ihr tolle Geschichten zu erzählen habt, geht auf Instagram und gebt kiez:story ein und schickt alles an das Team von kiez:story.

Jenny:

Da bleibt nur noch zu fragen, wovon ihr eigentlich nachts träumt, beziehungsweise was wünscht ihr euch für Berlin?

Fatma:

Für Berlin wünsche ich mir, und das meinte auch einer unserer Jugendlichen, dass wir voneinander lernen und miteinander lernen und unsere Verschiedenheiten oder unsere Unterschiede akzeptieren und eine gemeinsame Gesellschaft aufbauen, in der niemand ausgeschlossen wird. Die Menschen, die Deutschland mit aufgebaut haben, sind auch Teil der deutschen Geschichte und sollten auch so angenommen werden. Das ist die Geschichte von uns allen.

Pierre:

Fatma, du machst es mir nicht einfach, da noch was hinzuzufügen. Aber dann mache ich es auch ganz kurz. Es passiert ja schon viel in dieser Richtung. Das sehe ich schon. Es gibt schon spannende Diskussionen, die gab es vor zehn, zwanzig Jahren noch nicht oder vielleicht nur im kleineren Kreis. Und ich hoffe, das geht weiter, ich hoffe, das ist nicht nur ein Trend, sondern dass es sich wirklich festsetzt und dass die Schulbücher der Zukunft auch andere Geschichten beinhalten. Dass es alles ein bisschen inkludierender wird und spannender für alle Jugendlichen in Berlin, sich mit Geschichte zu beschäftigen. Das ist mein großer Traum.

Jenny:

Vielen Dank, dass ihr da wart. Und wir freuen uns, wenn ihr wieder dabei seid, beim ufuq.de Podcast „Wovon träumst du eigentlich nachts?“.

 


Zum Weiterhören

Hier geht es zu allen Folgen des ufuq.de-Podcasts „Wovon träumst du eigentlich nachts?“

 

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