„Wovon träumst du eigentlich nachts?“ – Podcast-Folge 9: Modest Fashion mit Elisa Linc
4. August 2022 | Jugendkulturen und Soziale Medien, Religion und Religiosität

In der neunten Folge unseres Podcasts „Wovon träumst du eigentlich nachts?“ sprechen die Hosts Maryam Kirchmann und Jenny Omar mit Elisa über Modest Fashion – ein Trend, der inzwischen auch in Deutschland Einzug gehalten hat. Die 26-jährige Muslimin aus Berlin erklärt uns, was hinter diesem Kleidungsstil steht. Außerdem verrät sie ihr persönliches Modeverständnis, berichtet über ihre Erfahrungen als Influencerin und gibt Gedankenanstöße zur Frage, ob Mode eine Brücke zwischen Menschen mit verschiedenen Lebensweisen bilden kann.


Die Folgen erscheinen einmal im Monat und sind über den Audioplayer und auf Spotify hörbar.

Link zum Spotify-Kanal „Wovon träumst du eigentlich nachts?“

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Transkription der Folge

Maryam

Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge „Wovon träumst du eigentlich nachts?“. Mein Name ist Maryam.

Jenny

Mein Name ist Jenny.

Maryam

Heute sprechen wir über ein sehr spannendes Thema, nämlich Modest Fashion. Es gibt aber auch eine kleine Veränderung. Leider hat uns die Corona-Pandemie auf den letzten – oder sagen wir mal den hoffentlich letzten Metern, noch eingeholt, weshalb wir leider nicht im Studio aufnehmen können. Das heißt, falls die Tonqualität heute ein bisschen anders ist, bitte ich euch um Verzeihung, wir nehmen das gerade online von zu Hause auf. Bevor wir in unser Thema einsteigen, habe ich mir überlegt, Jenny, dass wir vielleicht unseren Zuhörer*innen einmal kurz erklären, was denn eigentlich Modest Fashion ist?

Jenny

Hallo! Modest Fashion bezeichnet bedeckende oder verhüllende Mode, die vor allem, aber ich glaube nicht nur, von religiösen Frauen getragen wird, zum Beispiel Musliminnen, Jüdinnen, aber auch Christinnen. Und Modest Fashion wird, glaube ich, auch in Deutschland immer mehr zu einem Mainstream-Thema. Ich bin zum Beispiel letztens durch Berlin-Wedding gelaufen und habe dort Werbeplakate für eine Internetplattform gesehen, die Modest Fashion anbietet. Das habe ich tatsächlich vorher noch nicht so gesehen. Ich habe dann auch gleich mal gegoogelt und gelesen, dass dieses Segment von Modest Fashion tatsächlich 277 Milliarden Dollar weltweit umsetzt. Das erschien mir echt superviel. So viel mehr weiß ich aber gar nicht darüber. Deswegen haben wir heute eine Expertin eingeladen. Herzlich willkommen, Elisa. Stell dich doch mal vor: Wer bist du und was machst du eigentlich so?

Elisa

Hallo zusammen. Erstmal vielen Dank für die liebe Einladung. Ich freue mich, hier sein zu dürfen und mit euch ein bisschen über das Thema Modest Fashion zu plaudern. Mein Name ist Elisa, ich wohne in Berlin, bin 26 Jahre alt, bin gläubige Muslima und sozusagen eine Modest Fashion Anhängerin. Das heißt, ich trage Modest Fashion, ich bedecke mich und richte sozusagen meinen Kleidungsstil an meinem Glauben aus beziehungsweise kombiniere das Ganze, indem ich dem Trend nachgehe, aber trotzdem bestimmte Regeln einhalte, die dann die Fashion in die Modest Fashion-Liga lenken. Stellt mir gern eure Fragen, ich freue mich darauf.

Maryam

Schön, dass du da bist. Wir freuen uns wirklich sehr. Du hast mir erzählt, dass du studierst und über dein Instagram versuchst, dir dein Studium zu finanzieren. Hast du vielleicht Lust, uns ein bisschen zu erzählen, wie es denn für dich als Studentin ist, immer mehr Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit zu bekommen? Du hattest ja auch gesagt, dass es dann doch relativ schnell ging, dass du viele Follower*innen bekommen hast. Jenny und ich sind ja jetzt auch Anhängerinnen deiner Seite. Wie ist das für dich?

Elisa

Also für mich ist es auf jeden Fall eine große Ehre, weil mir Instagram Spaß macht und es mir Spaß macht, mich auf der Fashion-Ebene auszuprobieren. Und wie du schon sagst, studiere ich gerade und versuche, mir nebenbei durch Instagram ein bisschen Geld dazu zu verdienen. Und gerade dort so eine positive Resonanz zu bekommen, pusht einen natürlich auch und gibt mir einfach Bestätigung, dass das, was ich mache und wie ich mich ausprobiere, im Endeffekt auch gut ankommt. Also es ist wirklich eine tolle Sache und macht mir mega viel Spaß.

Maryam

Du hast auch gesagt, dass du mittlerweile schon einige Kooperationen bekommen hast. Ich glaube, ich habe auch heute Morgen noch ein Unboxing von dir gesehen, als ich im Bett lag und deine Story angeguckt habe. Wie bist du denn auf die Idee gekommen, Instagram-Influencerin für Modest Fashion zu werden?

Elisa

Eigentlich war das nur Zufall. Natürlich war ich auch, wie viele andere von uns, privat auf Instagram unterwegs, bin auch vielen Hijabi-Blogger*innen oder Influencer*innen gefolgt, allerdings gab es oder gibt es immer noch kaum welche, die aus dem deutschsprachigen Raum kommen. Und die meisten, denen ich zumindest folge, die kommen aus England, die meisten aus London oder Manchester. Ich dachte mir, es ist einfach mega schade, dass Modest Fashion im deutschsprachigen Raum noch gar nicht so präsent ist und dann habe ich einfach aus Neugier mein Profil mal öffentlich gestellt, habe angefangen, Firmen zu markieren auf meinen Posts und auch aktiv andere Firmen anzuschreiben. Und wie du vorhin schon angedeutet hast, ging das dann relativ fix. Also ich habe dann innerhalb von, ich glaube, ein oder zwei Monaten, über 10.000 Follower gehabt und jetzt kommen im Endeffekt die Firmen auch schon von allein auf mich zu.

Maryam

Wow, herzlichen Glückwunsch!

Jenny

Nicht schlecht…

Elisa

Dankeschön. Aber das Ziel ist natürlich trotzdem, noch viel, viel weiter voranzukommen und mir ist es wichtig, dass auch Mädchen, die ihren Glauben an erste Stelle stellen, trotzdem die Möglichkeit haben, Inspirationen zu sammeln, wie man sich trotzdem durch Fashion ausprobieren oder durch verschiedene Styles durchprobieren kann, denn im Endeffekt kann man durch den Kleidungsstil schon ausdrücken, wer man ist, ohne überhaupt sprechen zu müssen. Und das finde ich einfach so erfrischend, dass man damit auch spielen kann. Je nachdem, wie deine Laune ist, ziehst du dich dann an, und ich finde, da sollte kein Glaube jemanden einschränken, sondern im Gegenteil: Es kann sogar noch inspirierender sein, gerade wenn man manchmal bei den Stars Outfits sieht oder auch bei normalen Menschen einen coolen Style sieht, den dann in seiner Form auszuführen oder zu verändern. Und das finde ich ein total spannendes Thema und es macht mir einfach mega viel Spaß.

Jenny

Voll schön. Und da hast du auch schon eine interessante Facette von Mode angesprochen. Ich habe immer das Gefühl, insbesondere an Frauen gibt es ja bestimmte Erwartungen, wie sie sich anziehen sollen. Es geht nicht nur darum, wie man das vielleicht selbst machen soll, sondern auch um Erwartungen: Erwartungen der Eltern, der Gesellschaft, der Schule. Ich kenne sowas auch, entweder nicht zu kurz, aber auch bloß nicht zu lang. Wir kennen ja alle diese Erwartungen. Kennst du das auch beziehungsweise wie gehst du mit diesen gesellschaftlichen Erwartungen um, die ja wahrscheinlich auch an dich herangetragen werden?

Elisa

Ja, auf jeden Fall werden die an mich herangetragen. Ich muss sagen, ich bin ein sehr starker Charakter, was das angeht, weil meine Eltern auch relative Freigeister sind. Zu meinem Background eine kurze Erklärung: Ich bin konvertiert, das heißt, keines meiner Familienmitglieder*innen ist auch muslimisch. Die Art, wie sie sich kleiden, ist natürlich gar nicht mit meiner Art, mit meinen Bedingungen zu vergleichen. Ich komme eher aus einem lockereren Umfeld, was das angeht, wo mir wirklich freigestellt war, mich auch früher auszuprobieren. Klar, wie du schon sagst, zu kurz durfte der Rock jetzt auch nicht sein, aber mir wurde in meiner äußerlichen Selbstfindung wirklich viel Freiraum gelassen. In meiner innerlichen auch, aber wir reden über das Äußerliche. Meine Mama probiert sich auch gerne mit Fashion aus und drückt sich gerne durch ihren Kleidungsstil aus und ich glaube einfach, dass das so mit der Zeit kam, weil ich mich eh getraut habe, das anzuziehen, was ich möchte. Ab dem Zeitpunkt, wo ich mir sicher war, dass ich das Kopftuch tragen möchte und seitdem ich mich in bedeckter Form versuche, trotzdem modisch zu kleiden, habe ich bis jetzt übermäßig positive Resonanz erhalten. Manchmal bekomme ich auch Kommentare, dass das vielleicht ein bisschen zu viel ist oder dass das nicht von einer muslimischen Frau so angezogen werden sollte, aber ich weiß, warum ich es mache und mein Selbstbewusstsein diesbezüglich ist einfach aus meiner Historie heraus so gestärkt, dass das einfach an mir abprallt.

Maryam

Total spannend. Du hast es auch gerade schon angesprochen, ich wollte dich nämlich gerade auch dazu fragen, wie du mit den Erwartungen deiner Community umgehst. Ich habe vor kurzem in deiner Story gesehen, dass du ein Statement dazu abgegeben hast, dass du niemandem vorschreiben möchtest, was er oder sie tragen sollte, sondern dass es dein Umgang ist. Hörst du häufiger, dass Leute versuchen, dich zu korrigieren oder dir zu sagen: „Das ist jetzt muslimisch und das ist nicht muslimisch oder nicht muslimisch genug?“

Elisa

Jein, man muss da zweigeteilt antworten. Also im Islam gibt es natürlich klare Vorstellungen, wie eine Frau sich anzuziehen hat. Die Haare sollen bedeckt sein, es soll bis zur Brust auch alles schön weit sein, das Kopftuch soll eigentlich sehr lang getragen werden. Es gibt bestimmte Anforderungen, die auch so festgeschrieben sind und da kommen einige Geschwister auch auf einen zu und schreiben mich im Privaten an, schicken mir Beweise, die halt wirklich zeigen: „Hey, so und so sind die Rahmenbedingungen des Islams.“ Aber auf der anderen Seite kriege ich auch Hate-Kommentare. Das heißt, dass ich öffentlich zurechtgewiesen werde von einigen Personen und das nehme ich dann gar nicht an. Ich kriege auch negative Kommentare, aber auf der anderen Seite, und das hat für mich einen viel größeren Mehrwert, schreiben mich auch Schwestern an, auch Frauen mit Kopftuch, die sagen: „Hey, ich habe mein Kopftuch gar nicht mehr aus dem Herzen getragen, aber du hast mich so inspiriert, mich einfach mal auszuprobieren und das Ganze mal anders zu tragen, dass ich im Endeffekt daran wieder Freude empfinde und dass ich mich mit dem Kopftuch wieder neu identifizieren kann. “ Und das sind Aussagen, die pushen einen so sehr, dass dieses Negative komplett nebenher steht. Es interessiert mich im Endeffekt nicht.

Jenny

Auch superschön natürlich, dass du da so inspirieren kannst. Und gleichzeitig stelle ich es mir aber auch nicht einfach vor, diese Hasskommentare dann so wegzuwischen…

Elisa

Jenachdem, wie auch der Tag gelaufen ist, ob man emotionaler geladen ist oder nicht, lässt man das mehr oder weniger an sich ran. Es gab schon die Momente, in denen es mich wirklich mitgenommen hat, aber da hat jeder seinen Weg, damit umzugehen. Ich persönlich schnappe mir dann meinen Gebetsteppich, bete zwei Rakats und kommuniziere im Endeffekt mit Gott, weil ich trage mein Kopftuch für Gott und wenn ich nach dem Gespräch mit Gott ein schlechtes Gefühl hätte, dann würde ich mich auch verändern. Aber wenn ich nach dem Gespräch mit Gott ein gestärktes Gefühl bekomme, dann weiß ich, ich bin auf dem richtigen Weg. Und wir leben nun mal in Deutschland, in einem westlichen Land, wo die Mehrheitsgesellschaft nicht muslimisch ist, und da kann im Endeffekt Modest Fashion auch eine Brücke zwischen zwei Gesellschaftsarten oder Gesellschaftskulturen sein, auch wenn es nur für eine kleine Gruppe ist. Wenn ich auf beiden Seiten inspiriere, sich miteinander neu auch auseinanderzusetzen, dann wie gesagt aus tiefstem Herzen.

Maryam

Ich glaube, wir dachten beide gerade: „Wow.“

Jenny

Es war gerade richtig schön, was du gesagt hast, Elisa. Deswegen musste ich mich kurz sammeln. Das war auf jeden Fall ein sehr schönes Bild, mit dem du Modest Fashion beschrieben hast. Ich würde auch sagen, Mode und Kleidung an sich sind ja auch etwas sehr Schönes. Du hast es auch eben schon erwähnt, das ist etwas, mit dem man sich ausdrücken kann und ja irgendwie auch Kunst. Was bedeutet Mode denn für dich persönlich?

Elisa

Schöne Frage. Wie beschreibe ich das jetzt am besten? Wie du mich vorhin schon wiederholt hast, kann man sich halt durch Mode ausdrücken und ohne zu sprechen, kann man nach außen bringen, wer man eigentlich ist oder wie man sich eigentlich gerade fühlt und das finde ich einfach ein sehr spannendes Tool. Und ja, ich glaube, ich würde es auch so bezeichnen: Als ein Tool, mit dem ich mich einfach ohne zu sprechen schon mal ausdrücken kann beziehungsweise meine Gefühlslage und meine Denkweise verkörpern kann. Wie du schon gesagt hast, stellt Mode ja auch eine Kunst dar und gibt einem im Endeffekt die Möglichkeit, jeden Tag ein Kunstwerk aus dir zu machen, indem du beschreibst, wie deine innere Welt gerade aussieht. Das finde ich einfach ein schönes Tool und macht mir mega Spaß, mich praktisch modisch zu verwirklichen.

Jenny

Da bin ich gleich mal ganz neugierig und würde gerne mal wissen, wie denn dein Kunstwerk aussieht, wenn es dir besonders gut geht? Weil du gesagt hast, das ist auch eine Möglichkeit, Stimmungen und Gefühle auszudrücken.

Elisa

Auf jeden Fall. Damit meinte ich nicht, ob ich glücklich oder traurig bin, sondern ob ich mich heute eher lustiger drauf fühle oder eher ein bisschen ‚girliehafter‘. Also so wie meine Gefühlslage diesbezüglich ist. Und klar, wenn es mir gut geht, probiere ich mich auch mal mit Farben aus oder wenn ich mal einen ‚Girlie-Tag‘ habe, dann trage ich vielleicht auch mal hohe Schuhe oder ziehe eher ein Kleid an. Es kommt natürlich auch immer auf die Art oder auf den Grund an, wofür man sich jetzt stylt, aber ich würde meinen Kleidungsstil auch zweigeteilt deuten: Es gibt mich einmal ein bisschen ’streetstyle-hafter‘, wo ich viele Hosen trage, eher lockere Sachen. Da kann es auch mal sein, dass ich ein Basecap trage. Und dann mag ich es aber auch, so eine feine Seite von mir rauszulassen, wo ich dann auch Abayas anziehe und generell, Kleider, Röcke, wo ich dann auch mit dem Kopftuch ein bisschen verspielter bin und mich mit den Stoffen ausprobiere. Verschiedene Stoffe können auch so von der Wirkung eine große Bedeutung haben. Da probiere ich mich gerne aus und kombiniere auch gerne. Klamotten, die ich bei einem Outfit so kombiniert habe, die mische ich dann bei einem anderen Outfit komplett anders miteinander und das macht mir auch einfach mega Spaß.

Jenny

Du machst auf jeden Fall Lust, wenn du das so beschreibst, sich tatsächlich mal zu überlegen, was man nochmal outfitmäßig Neues ausprobieren kann. Ich meine, in den letzten zwei Pandemiejahren hatte man ja oft gar keinen Grund, sich etwas anderes als die Jogginghose anzuziehen.

Elisa

Ja. Aber danke für das Kompliment. Das ist ja auch überhaupt nicht darauf bezogen, ob man einem bestimmten Glauben angehört oder sonst irgendwas, sondern ich glaube einfach, man kann sich so toll ausprobieren. Und so wie ich vorhin schon gesagt habe, dass man sich bei Stars Outfits abguckt und die versucht, modest zu kriegen, kann man natürlich auch genau umgekehrt gucken: „Hey, das sieht ja total toll aus, was die Frau da gerade trägt, auch wenn es total locker und lang ist und man gar keine Haut sieht.“ Und dann sei es nur ein Taillengürtel oder man fügt einfach kleine Accessoires hinzu oder verändert so ein kleines bisschen wie die Kleidung am Körper sitzt. Und so kann man natürlich den einen Weg gehen, dass man von offener Kleidung zu modest Kleidung wechselt. Aber so kann man sich auch andersherum von Modest Fashion Outfits etwas abgucken und sich komplett inspirieren lassen, auch wenn man vielleicht nicht bedeckt ist.

Maryam

Ich habe auch gerade über Jugendliche nachgedacht, die jetzt in der Schule sind und deren Körper sich verändern und irgendwie alles auf einmal anders ist. Auch für die, die gerade versuchen, ihren Style zu finden, ist das ja eine total spannende Modebranche. Wir haben jetzt gerade diese drei Jahre Crop-Top-Sommer hinter uns und ich kann mir vorstellen, dass viele Jugendliche sich mit Mainstream-Mode vielleicht auch ein bisschen unwohl gefühlt haben oder viele Frauen generell vielleicht ungerne jeden Tag viel Haut zeigen oder sich einfach auch manchmal nicht danach fühlen. Ich glaube, dass das eine total spannende Bereicherung ist, Styles einfach mal umzudenken. Und dass man auch diese stereotypen Bilder von bedeckter Kleidung, religiöser Kleidung ein bisschen aufbricht und schaut: Was ist denn eigentlich möglich? Es muss ja nicht alles traditionell und klassisch sein und man muss sich nicht komplett verstecken, sondern religiöse und bedeckte Kleidung kann ja sehr stilvoll sein, wie du uns bewiesen hast.

Elisa

Vielen Dank. Da muss ich dir auf jeden Fall zustimmen. Auch bei mir war es so, dass ich früher als Teenager immer die Größeren und die Stars gesehen habe, die immer so toll aussahen und das kann natürlich dazu führen, dass man bestimmte Komplexe bekommt, wenn man als Frau zum Beispiel gar keine Brüste hat oder kleinere oder zu große oder wenn man zu wenig oder zu viel Gewicht hat. Diese ganzen äußerlichen Merkmale fallen zwar nicht weg bei Modest Fashion, aber dadurch, dass gerade so sensible Bereiche bedeckt sind, lassen sie dich ganz anders fühlen und auch dein Selbstbewusstsein ganz anders aufbauen. Ich habe mich früher auch ausprobiert und fand es halt auch einfach schön. Und wie du es auch schon beschrieben hast, habe ich mich eigentlich gar nicht wohlgefühlt, aber wollte halt immer so sein wie die größeren, schönen Frauen. Da habe ich, rückblickend betrachtet, auch Dinge angezogen, die ich vielleicht so gar nicht angezogen hätte, hätte ich keine Inspirationen bekommen, beziehungsweise hätte ich schon das Bewusstsein gehabt, dass man zum Beispiel ein Crop-Top auch super modest kombinieren kann, indem man einfach eine lange Bluse darunter anzieht. Das sieht super aus, das habe ich mittlerweile auch schon ganz oft gemacht. Und ja, hätte ich schon früher mehr Inspiration von dieser Seite gehabt, hätte ich mich vielleicht viel schneller finden können. Ich glaube, dass das gerade für Teenager, die auch aus dem muslimischen oder aus einem Bereich kommen, in dem eher traditionellere Kleidung getragen wird, eine große Stütze sein kann, um sich in dieser Gesellschaft hier wiederzufinden. Und für die Mehrheitsgesellschaft wiederum kann es auch eine große Chance sein, sich neu zu finden oder sein Selbstbewusstsein ganz eigenständig zu bilden. Wenn man sich jetzt mal Hollywood oder die größeren Stars anguckt, ist die Mode natürlich schon meistens eher freizügig. Ich finde so wichtig, dass man einfach zeigt: „Natürlich kannst du das machen, wenn du dich wohlfühlst, aber du musst es nicht, es gibt auch noch einen anderen Weg.“ Das finde ich so schön an Modest Fashion und deswegen feiere ich es auch, dass Modest Fashion in Deutschland immer mehr Aufmerksamkeit bekommt.

Maryam

Du hast eben schon gesagt, dass es in Deutschland eigentlich gar nicht so viele Menschen gibt, die Modest Fashion populär machen und da als Vorbild dienen können. Hast du denn ein Vorbild, was dich inspiriert hat, diesen Weg zu gehen, den du jetzt gehst?

Elisa

Jein, also ich habe jetzt kein Vorbild, bei dem ich sage: „Wow, die hat mich mega inspiriert und ich möchte so aussehen wie sie oder ihren Style.“ Es gibt viele Mädels, deren Style ich feiere, mit denen ich mich auch auf Insta und so weiter connecte, wo wir unsere Outfits zum Beispiel austauschen und sagen: „Wie findest du das und das?“ Ein explizites Vorbild diesbezüglich habe ich nicht. Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich tatsächlich als meine Inspiration meine Mama nennen.

Jenny

Ohh…

Elisa

Ja, wirklich, obwohl sie mit Modest Fashion nichts zu tun hat. Wie gesagt, sie ist eine ganz normale deutsche Frau, aber ihre Art und Weise, sich durch Fashion auszudrücken und wie sie mir das mitgegeben hat, seitdem ich klein bin. Ich glaube, hätte ich dieses Verständnis nicht, dann hätte ich auch nicht so eine große Freude daran. Ich liebe es zum Beispiel auch, mit meiner Mama shoppen zu gehen, ich habe keine bessere Shoppingbegleitung als sie.

Maryam

Fühle ich total, habe ich auch nicht.

Elisa

Ja. Und das, obwohl die Styles unterschiedlich sind. Ich glaube meine größte Inspiration, zumindest vom Mindset her, dass man sich halt durch die Kleidung so ausprobieren kann und so viel Freude daran haben kann, habe ich wirklich durch meine Mama.

Maryam

Schön!

Jenny

Ja, voll schön. Die freut sich bestimmt, das zu hören!

Elisa

Ja…

Maryam

Alle Mütterherzen schmelzen jetzt gerade dahin. Schön. Du hast gerade eben ja schon einen richtig krassen Life Hack gemacht, und zwar hast du vom Crop-Top über der Bluse erzählt. Ich habe auch währenddessen gedacht, dass wahrscheinlich alle Zuhörer*innen gerade direkt zum Schrank gerannt sind und das ausprobiert haben. Hast du noch so ein Lieblings-Modeaccessoire, bei dem du sagen würdest, dass jedes Outfit auf jeden Fall damit funktioniert?

Elisa

Auf jeden Fall natürlich Schmuck erstmal, also ich liebe Armreife. Ohrringe können auch schöne Akzente setzen und was Klamotten angeht, feiere ich Gürtel extrem, ich feiere auch längere Jacken, Oversized Blusen oder Hemden, und die dann offen geknöpft als Jacke zu tragen. Da kann man dann auch damit spielen, indem man eine offene Seite in die Hose reinsteckt, sodass nur eine Seite rauskommt oder dass man die Enden miteinander verbindet. Ich habe mir nur eine Faustregel gesetzt: Trage ich mein Oberteil eng, dann ist meine untere Ebene locker. Also dann trage ich eher Röcke oder eine lockere Hose oder eine Baggie. Entschließe ich mich dazu, eine engere Hose zu tragen, trage ich im oberen Teil eher etwas Lockeres. Natürlich dann auch länger, also wenn ich eine enge Hose anziehe, achte ich darauf, dass mein Po hinten bedeckt ist, weil ich mich sonst einfach unwohl fühle. Dann achte ich halt darauf, dass ich oben ein längeres Shirt anziehe oder ein Kleidchen. Die Faustregel habe ich: Oben eng, unten locker oder unten eng, oben locker. Und ansonsten probiere dich aus. Auch gegensätzliche Farben können super schöne Kontraste bilden. Da traue ich mich bisher aber nur ran, wenn ich mutige Tage habe. Ich bin eher so ein nude Charakter, ich liebe nude Farben und diese dann mit Goldschmuck zu kombinieren. Aber setze deiner Fantasie keine Grenzen und probiere dich aus!

Jenny

Ist auf jeden Fall super inspirierend und spannend, was du erzählst, Elisa. Ich glaube, wir kommen aber leider schon zum Ende unseres Podcasts. Und am Ende wollen wir immer gerne von unseren Gäst*innen wissen: Wovon träumst du eigentlich nachts? Wie sieht denn für dich die perfekte Mode aus, Elisa?

Elisa

Die perfekte Mode? Ich kann sie gar nicht definieren, ich kann nur Eigenschaften nennen: Die perfekte Mode ist, wenn du dich wohlfühlst, wenn du dich selbstbewusst fühlst und wenn du dich stark fühlst. Wenn dein Outfit dir das Gefühl dieser drei Eigenschaften gibt, dann ist es für mich die perfekte Mode. Aber alles Andere, welcher Style, welche Farben oder welche Stoffe und Schnitte, da kann ich mich noch nicht einmal für mich festlegen. Wie gesagt, es ist bei mir echt tagesabhängig. Ich finde, da sollte auch niemand irgendwie festgelegt werden. Solange man sich wohlfühlt, ist es die richtige Mode für einen. Und alles andere muss jeder für sich selbst wissen.

Jenny

Vielen, vielen Dank, dass du da warst. Und ich freue mich, wenn ihr beim nächsten Mal wieder einschaltet bei dem ufuq.de Podcast „Wovon träumst du eigentlich nachts?“

Zum Weiterhören

Hier geht es zu allen Folgen des ufuq.de-Podcasts „Wovon träumst du eigentlich nachts?“

 

DER PODCAST WIRD GEFÖRDERT VON
Die Beiträge im Portal dieser Webseite erscheinen als Angebot von ufuq.de im Rahmen des Kompetenznetzwerkes „Islamistischer Extremismus“ (KN:IX)
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