Wann ist was „normal“? Eine Diskussion über die Darstellung des Islams in Medien
26. Januar 2016 | Diversität und Diskriminierung, Gender und Sexualität, Religion und Religiosität

„Warum jede Mutter die beste für ihr Kind ist“ – so lautet der Aufmacher der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Eltern. Eigentlich nichts Besonderes, wäre da nicht das Titelbild einer jungen Mutter mit Kopftuch, die glücklich lächelnd ihr Kind in den Armen hält. Das Titelbild ist eines von fünf Motiven, mit denen die Zeitschrift ihr 50-jähriges Erscheinen feiert, und mit dem sie zeigen will, „wie vielfältig Muttersein in Deutschland heute ist“.

Die Wahl des Motives fällt auf, weil es Frauen mit Kopftuch sonst kaum auf Titelseiten deutscher Magazine schaffen. Und falls doch, dann eher dann, wenn es um Probleme geht (zu Darstellungen des Islams in Medien siehe Interview mit Prof. Dr. Kai Hafez). Entsprechend zahlreich waren die Reaktionen, die das Bild auslöste – gerade auch unter Musliminnen.

Die Reaktionen eignen sich gut, um im Unterricht über die Darstellung des Islams in Medien ins Gespräch zu kommen, wobei es hier vor allem auch um die Frage geht, warum was in Medienberichten abgebildet und thematisiert wird – und darum, wie schwierig es ist, Normalität sichtbar zu machen, ohne selbst Klischees zu reproduzieren.

Denn so erfreut die meisten Reaktionen ausfielen, einige Kommentator_innen wiesen darauf hin, dass auch hier das Thema Islam eben gerade nicht „normal“ behandelt würde. Schließlich, so die Kritik, ginge es in dieser Ausgabe nicht um alltägliche Themen der Erziehung, sondern um gesellschaftliche Vielfalt. Die junge Mutter stünde damit erneut für Unterschiede, auch wenn dies in diesem Fall mit einer positiven Botschaft verknüpft sei. „Normal“ wäre das Bild erst dann, wenn das Kopftuch nicht mehr benötigt werde, um überhaupt eine Botschaft zu vermitteln.

An diesem Beispiel lassen sich viele Fragen diskutieren: Wie werden Islam und Muslim_innen in Medien dargestellt? In welchen Zusammenhängen wird über den Islam vor allem berichtet? Warum sehen viele Muslim_innen in dem Bild einen Fortschritt? Warum ist es ihnen wichtig, dass die Journalist_innen dieses Motiv gewählt haben?

Aber eben auch: Warum fällt uns dieses Motiv auf? Was sagt es über unsere Wahrnehmungen des Islams, wenn uns dieses Bild als etwas Ungewöhnliches ins Auge sticht? Unter welchen Bedingungen würden wir das Bild nicht mehr „besonders“ finden?

Hier finden Sie einige Anregungen für eine Diskussion in der Klasse.

Gegen Vorurteile Mut machen!

ELTERN-Chefredakteurin Marie-Luise Lewicki im Gespräch mit Mustafa Görkem:

„Mustafa Görkem: Selbst türkische Tageszeitungen berichten über das Cover. Sie haben damit offensichtlich einen Nerv getroffen.

Marie-Luise Lewicki: Wir wollten natürlich, gerade jetzt, auch eine Diskussion in Gang bringen darüber, worauf es wirklich ankommt beim Muttersein. Die Zeile ‚Warum jede Mutter die beste für ihr Kind ist’ soll Müttern Mut machen, ihren ganz eigenen Weg zu gehen und sich über Vorurteile hinwegzusetzen. Die gibt es in Deutschland leider noch immer, nicht nur gegenüber muslimischen Müttern, die ihre Haare verhüllen, sondern auch gegen sehr jungen Müttern oder solche, die bereits über 40 sind. All diese Frauen sind auf den fünf Titeln abgebildet, die wir bei diesem Heft haben. Aber es war uns klar, dass über das Cover mit Kübra am meisten gesprochen werden wird. Wir hatten uns ehrlicherweise auf viel mehr negative Kommentare eingestellt als bislang gekommen sind. Das ist doch schon mal ein Anfang!“ (www.dtj-online.de, 19.01.2016)

Muslimische Bloggerinnen von Nafisa.de: „einfach mal als Mensch“

„Schönes Cover der Zeitschrift Eltern.de in ihrer Jubiläumsausgabe: Eine muslimische Frau einfach mal als Mensch gezeigt – ohne den Kontext Unterdrückung und ohne Reduzierung auf das Kopftuch. Es geht auch anders.“ (nafisa.de auf facebook.com)

Selbstverständlich muslimisch

„In Love. Kübra und Rana auf einem der fünf Cover des aktuellen ‚Eltern’ Magazins. Weder Kübras Glaube, noch ihr Kopftuch sind Thema in der Ausgabe. Die beiden dürfen einfach ganz selbstverständlich die wunderbare Mama und die wunderschöne Tochter sein, die sie sind. Das ist so erfrischend und berührend, wenn man sonst ganz andere Titelbilder gewohnt ist. Davon können sich andere Magazine so einiges abgucken.

Muslime sind ein Teil unserer Gesellschaft, als Akademiker, Sportler, Künstler und Eltern. Das Muslimsein ist nur ein Teil ihrer Identität und sollte darum nicht stets im Vordergrund stehen müssen. Zur Normalität trägt bei, dass man Muslime eben auch mit ihren anderen Identitäten zu Wort kommen lässt, ohne sie auf ihre Religion zu reduzieren. Eine muslimische Ingenieurin und ein muslimischer Basketballer sollten in der Öffentlichkeit als Experten auch nur in diesen Rollen sprechen dürfen, ohne dass gleich Fragen zum Kopftuch oder Moscheebesuch gestellt werden.“ (Betül Ulusoy, facebook.com)

Das Kopftuch dient wieder nur dazu, das Anderssein darzustellen!

„Es geht darum, die Vielfalt des Mutterseins darzustellen. (…) Dazu braucht man fünf Mütter, die für diese Vielfalt stehen. Deshalb eine Mutter mit Kopftuch. Auch sie steht für diese Vielfalt. Es ist kein Foto, bei dem es zB um die Frage geht: Wie schläft mein Kind am besten durch? So ein Kontext wäre ein Erfolg. Das Foto ist nicht negativ, aber es erfüllt eine Funktion, steht für eines von fünf Beispielen, sogar für das ‚andere’. Damit ist es für mich eben nicht lobenswert und auch nichts besonderes…“ (Annet Abdel Rahman, facebook.com)

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