Der Fachtag „Religion verhandeln?! Aushandlungsprozesse im Kontext von Demokratie, Gesellschaft und Bildung“, den Minor – Projektkontor für Bildung und Forschung und ufuq.de am 09. und 10. September 2020 durchführten, widmete sich den persönlichen, gesellschaftlichen und politischen Aushandlungsprozessen im Umgang mit religiös geprägten Lebenswelten. Wie viel Religion verträgt die politische Bildungsarbeit? Welchen Unterschied macht es, ob Fachkräfte selbst religiös sind? Wie können areligiöse Menschen mit religiösen Fragen in Workshops umgehen?
Die Kooperation der beiden sehr unterschiedlichen Träger erklärt die Zusammensetzung des Fachtages: Das Spektrum der Teilnehmer*innen reichte von Praktiker*innen aus der schulischen und außerschulischen Bildungs- und Jugendarbeit über Akteur*innen der Präventionsarbeit bis zu Haupt- und Ehrenamtlichen aus Gemeinden und interreligiösem Dialog. Der Beitrag von ufuq.de erfolgte im Rahmen des KN:IX – Kompetenznetzwerk „Islamistischer Extremismus“, Minor wirkte im Rahmen des Projektes „Demokratie, Religion, Vielfaltsdiskurse – ein Spannungsverhältnis?!“ an dem Fachtag mit.
Der Ablauf
Der Fachtag, der aufgrund der Corona-Pandemie online stattfand, verband unterschiedliche Online-Formate: In zwei Input-Sessions fassten Prof. Oliver Hidalgo von der Universität Münster und Prof. Haci-Halil Uslucan von der Universität Duisburg-Essen die wichtigsten Begriffe und Konfliktlinien im Themenfeld Religion, Pluralismus und gesellschaftlicher Zusammenhalt zusammen. In mehreren Workshopphasen diskutierten die Teilnehmenden in Kleingruppen Einzelaspekte im Zusammenhang von Religion und Bildungsarbeit und deren Anwendung in der pädagogischen Praxis, in moderierten Gesprächen mit geladenen Gästen ging es dagegen vor allem auch darum, unterschiedliche Ansätze und Perspektiven sichtbar zu machen. Wie bei Präsenzveranstaltungen fanden auch bei diesem Fachtag wichtige Gespräche in den Pausen statt, für die ein virtueller Kaffeeraum eingerichtet wurde. Hier finden Sie noch einmal das komplette Programm (PDF).
Input „Die gesellschaftliche Neuverortung von Religionen in säkularisierten Gesellschaften: Wie wird religiöse Pluralität politisch und sozial ausgehandelt?“ (Prof. Dr. Oliver Hidalgo, Universität Münster)
In seinem Input gab Oliver Hidalgo einen kurzen Überblick über den Begriff der Säkularisierung und die verschiedenen Debatten, die mit diesem Konzept verbunden sind.
Hidalgo begann mit der Aussage, oft werde das Säkulare als das Gegenteil von Religion definiert, allerdings zeige die historische Entwicklung, dass Säkularisierung und Religion in einer engen wechselseitigen Beziehung stünden, sie seien gewissermaßen „siamesische Zwillinge“.
Der bekannte Staatsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde beschreibe das Säkulare als die Ausdifferenzierung eines Bereichs in der Gesellschaft, der nicht automatisch vom Religiösen durchdrungen ist. Der Philosoph Charles Taylor spreche dagegen von einer religiösen Fragilität. Glaube und Nicht-Glaube existierten parallel. Das könne zu Konflikten führen und unterschiedliche Perspektiven träten in Konkurrenz. Dadurch wandelt sich das Religiöse: Es gibt weniger Einbindung in feste Gemeinschaften und es kommt häufiger zu Konversionen.
Die politische Bildung, so Hidalgo, sei in diesem Kontext als Vermittlungstätigkeit zu verstehen. Die verschiedenen Seiten müssten sich akzeptieren lernen.
Säkularisierung, so Hidalgo weiter, sei notwendige Bedingung für Demokratie und diese wiederum für die Pluralität von Religionen. Zugleich sei religiöser Pluralismus eine Herausforderung für Demokratien und Migrationsgesellschaften.
Hidalgo wies darauf hin, dass es in säkularisierten Gesellschaften keine einheitlichen Vorgaben gäbe, wie das Verhältnis von Religion und Politik organisiert werden solle. Es könne – je nach Land – sehr unterschiedlich ausfallen. Das zeige beispielsweise ein Vergleich zwischen Deutschland, den USA und Frankreich. Die politische Bildung müsse dies aufzeigen und die Handlungsspielräume der Religionen ausloten.
Die soziale und politische Aushandlung der religiösen Pluralität solle, so Hidalgo abschließend, nach demokratischen Prinzipien erfolgen. Das heißt, der Gesetzgeber sei immer wieder aufgefordert, das Verhältnis neu anzupassen, wenn sich die soziale Realität verändere. Das hätten auch Gerichte immer wieder betont, wenn sie zu Fragen wie Kopftuchstreit oder Kruzifix im Klassenzimmer angerufen wurden. Hier sei politische Bildung gefragt, auf die rechtlichen Mechanismen hinzuweisen.
Workshop 1: Zum Umgang mit religiösen Fragen und konfessionellen Perspektiven in der politischen Bildung
Im Workshop „Zum Umgang mit religiösen Fragen und konfessionellen Perspektiven in der politischen Bildung“, der von Sakina Abushi und Mustafa Ayanoğlu von ufuq.de geleitet wurde, ging es um Situationen in der Bildungspraxis mit Jugendlichen und Fortbildungen mit Fachkräften, bei denen explizit religiöse oder theologische Fragen aufkamen. Wie soll man als politische*r Bildner*in mit solchen Situationen umgehen? Welche Rolle spielt die Positioniertheit der Workshop-Teilnehmer*innen, aber auch der Workshop-Leitenden: Werden sie als religiös gelesen? Was bedeutet es, aus konfessioneller Perspektive politische Bildung zu betreiben?
Es wurden mehrere Fallbeispiele diskutiert.
Fallbeispiel Händeschütteln: Ein muslimischer männlicher Teamer macht einen Workshop mit ausschließlich nicht-muslimischen weiblichen Lehrkräften. Eine Lehrerin berichtet, dass ein Jugendlicher sich geweigert habe, ihr die Hand zu geben und fragt, ob der Teamer ihr das islamisch erklären könne. Was soll er tun?
Folgende Lösungen werden in der Diskussion vorgeschlagen:
- Als Nicht-Theologe sei es schwierig, islamische Fragen zu beantworten, deswegen sei es besser, auf der pädagogischen Ebene zu bleiben.
- Es sei gut, nach den Gründen für das Entsetzen der Lehrerin zu fragen. Schließlich gebe es (nicht erst seit Corona) auch viele andere Gründe, nicht die Hand zu geben.
- Man sollte die Diversität der theologischen Positionen zu diesem Thema aufzeigen. Die meisten Gelehrten sagten, dass es in einer solchen Situation richtig sei, die Hand zu geben.
- Es solle nach den Ursachen für die Haltung des Schülers gefragt werden. Was ist seine Motivation? Was ist der Grund für den Ärger der Lehrerin?
- Wenn der Teamer nicht auf den religiösen Aspekt der Frage eingeht, ist die Lehrerin womöglich nicht mit der Antwort zufrieden und sucht sie sich andernorts. Daher ist es sinnvoll, eine doppelte Antwort zu suchen. Eine, die das Religiöse mit dem Pädagogischen verbindet.
Im Anschluss an die Diskussion beschrieb der Workshopleiter, wie der Teamer tatsächlich mit der Situation umgegangen war: Er hatte im Plenum eine religiöse Erklärung vermieden, aber anschließend mit der Lehrerin gesprochen. So hat er festgestellt, dass die Lehrerin ein gutes Verhältnis zu dem Schüler hat. Sie schien keine Sorge zu haben, dass er sich radikalisiere, sondern wollte sein Handeln verstehen. Hier sei die entscheidende Frage: Zeigt der Schüler der Lehrerin Respekt oder will er sie durch sein Verhalten erniedrigen? Je nachdem sollte sie eine pädagogische Lösung finden.
Fallbeispiel Koransure auf dem Fußboden: In einem Workshop mit muslimischen Jugendlichen legt der ebenfalls muslimische Teamer Bilder auf den Fußboden, um eine Übung damit zu machen. Als er auch eine Koransure auf den Boden legt, brechen die Jugendlichen die Übung ab. Es sei nicht akzeptabel, das Wort Gottes auf den Boden zu legen. Was soll der Teamer tun?
Folgende Lösungen werden in der Diskussion vorgeschlagen:
- Es sei klar, dass Jugendliche dies als verletzend empfinden. In dieser Situation solle der Teamer sich entschuldigen und hoffen, dass sich ein kreativer Ausweg bietet
- Es ist eine gute Chance, im geschützten Raum zu üben, wie die Jugendlichen mit dieser Art von Störung umgehen können, wie sie ja z.B. auch in der Schule auftreten könne
Wie hat der Teamer die Situation gelöst?
Tatsächlich hat der Teamer sich entschuldigt und den Teilnehmenden die Papiere in die Hand gegeben. Sie haben ihren Unmut zum Thema gemacht. Zum Schluss wurde vereinbart, dass heilige Texte im Workshop nicht auf den Boden gelegt werden: Weder islamische noch christliche oder jüdische.
Workshop 2: Feminismen, Gender und Religion – Ein Austausch über mögliche Chancen, Herausforderungen und Konflikte
Im Workshop „Feminismen, Gender und Religion – Ein Austausch über mögliche Chancen, Herausforderungen und Konflikte“, der von Elif Adam und Tanja Berg von Minor geleitet wurde, ging es um die persönliche Positionierung der Teilnehmer*innen und ihren Bezug zum Thema – und darum, wie sich diese Perspektiven in den verschiedenen Arbeitsbereichen und im Zusammenhang mit politischer Bildungsarbeit zeigen. Deutlich wurde dabei, wie sehr sich die Positionen zwischen religiösen und nicht-religiösen Praktiker*innen unterscheiden können: Ist Religion Ressource oder Herausforderung in der Arbeit mit Jugendlichen? Zentral war auch die Feststellung, dass Aushandlungsprozesse in Bezug auf Religion – also zwischen religiösen und nicht-religiösen Personen oder zwischen Gläubigen verschiedener Religionen – immer im Kontext zu sehen sind: Machtverhältnisse in der Gesellschaft spielen hier ebenso hinein wie rassistische Diskurse und die politische Stimmung.
Input 2: „Religion und gesellschaftliche Teilhabe. Vom Nutzen und Nachteil der Religiosität in modernen Gesellschaften“ (Prof. Dr. Hacı-Halil Uslucan, Universität Duisburg-Essen)
Haci-Halil Uslucan konzentrierte sich in seinem Input auf den Zusammenhang von Migration, Integration und Religion: Welche Rolle spielt Religion für Migrant*innen? Behindert oder befördert Religiosität die Integration und inwiefern hat sich die Haltung der deutschen Gesellschaft zur Religion durch die Migration aus muslimischen Ländern in den vergangenen Jahrzehnten verändert?
Uslucan begann seinen Vortrag mit der Bemerkung, das Verhältnis zur Religion habe sich in Deutschland – auch, aber nicht nur, aufgrund von Einwanderung – in den vergangenen Jahrzehnten verschoben. Auffällig sei, dass es zugleich einen Trend zu mehr Säkularisierung gebe, das heißt größere Bereiche der Gesellschaft werden von nicht-religiös begründeten Regeln bestimmt. Gleichzeitig gebe es einen Trend zu individualisierter Religiosität.
Religion, so Uslucan, könne dabei nicht als Integrationshindernis beschrieben werden. So zeigten Studien, dass religiöse Menschen gesünder und zufriedener seien und mit ihrer Umgebung besser im Einklang stünden. Für Erfolg auf dem Arbeitsmarkt, in der Schule und bei der Interaktion mit der Gesellschaft sei der Bildungshintergrund wichtiger als die religiöse Zugehörigkeit.
Uslucan ging zudem auf die „positive Neutralität“ ein, die das Verhältnis des Staates in Deutschland zur Religion kennzeichne. Der Staat sei neutral, was die Wahl und die Art der Religionsausübung angehe, und unterstütze Religionsgemeinschaften beispielsweise im Bereich des Religionsunterrichts oder der Kirchensteuern. Die Verfassung und die Gesetze ließen eine Öffnung und zunehmende religiöse Diversität zu. In der Praxis gebe es jedoch Nachbesserungsbedarf. So sei es überfällig, Muslim*innen in ihrer Vielfältigkeit den Gläubigen anderer Religionen gleichzustellen. Das Beharren auf dem hergebrachten Staatskirchenrecht, das die Anerkennung des Islams als Körperschaft verhindere, sei überholt. Auch sei es an der Zeit, dass ausgrenzende Debatten beispielsweise über das Kopftuch beendet würden.
Studien haben ergeben, dass die Menschen einen festen Arbeitsplatz und die Staatsbürgerschaft als wichtigste Kriterien für Zugehörigkeit zur Gesellschaft ansehen. Das stimme optimistisch, denn beide Faktoren ließen sich steuern. Wichtig, so Uslucan abschließend, seien auch Begegnungen unter den Menschen und dass allen das Gefühl gegeben werde, dass sie die Gesellschaft und ihr Umfeld aktiv mitgestalten könnten.
Der zweite Tag begann mit einer Debatte zwischen Eren Güvercin von der Alhambra-Gesellschaft und Silke Radosh-Hinder vom Kirchenkreis Berlin-Mitte zum Thema „Religion, Identitäten und Pädagogik – Religion als Ressource und Herausforderung“. Sie können die Debatte hier im Wortlaut nachlesen:
Workshop 3: Wie umgehen mit absoluten Wahrheitsansprüchen? Wahrheit und Kontroversität in der politischen Bildung
Im Workshop „Wie umgehen mit absoluten Wahrheitsansprüchen? Wahrheit und Kontroversität in der politischen Bildung“, der von Götz Nordbruch von ufuq.de geleitet wurde, stand die Frage des Umgangs mit einer Vielfalt von absoluten Wahrheitsansprüchen im Zentrum. Wie reagieren Teamer*innen, wenn sie mit Gruppen von Gläubigen arbeiten, die jeweils ihre Religion und ihre Art zu leben für die absolut richtige halten? Wie lässt sich Jugendlichen vermitteln, dass es mehrere zum Teil sich widersprechende Wahrheitsansprüche geben kann, die alle ihre Berechtigung haben und sich sogar auf Augenhöhe begegnen sollten? Es gilt als Prinzip der politischen Bildungsarbeit, dass Sachverhalte, die im wirklichen Leben und in der Wissenschaft als kontrovers gelten, auch in der Arbeit als kontrovers dargestellt werden. Es wurde darüber diskutiert, inwieweit sich dies auf die Arbeit zum Thema Religionen gerade mit Jugendlichen übertragen lässt: Gerade in der Arbeit mit Jugendlichen könne dies leicht zu Verunsicherung und damit verbunden zum „Aussteigen“ der Jugendlichen führen.
Zugleich müsse beachtet werden, so ein Argument, dass politische Bildungsarbeit nicht ein „bunter Blumenstrauß“ verschiedener gleichberechtigter Wahrheitsansprüche sei. Es gebe den klaren Auftrag zur demokratischen Ausrichtung.
Es wurde das Beispiel eines Teamers bei einem Kooperationspartner diskutiert, der aus religiösen Gründen seine Tätigkeit aufkündigte. Er könne nicht Workshops geben, in denen islamische Positionen zitiert würden, die Homosexualität nicht verurteilten. Für Träger der politischen Bildung, die Peer-Ansätze verfolgen, stelle diese Haltung ein Problem dar: Wie kann in der politischen Bildung mit der Vielfalt des Islams und der Religionen insgesamt umgegangen werden – und welche Erwartungen richten sich dabei an Teamer*innen, die sich selbst auf religiöse Wahrheiten berufen?
Als anderes Beispiel wurde ein Workshop genannt, in dem Jugendliche sagten, dass sie alle Juden hassten, weil ihre Familien in Palästina umgebracht worden seien. Hier wurde als Handlungsoption vorgeschlagen, die Aussage in einen anderen Kontext zu rücken, ohne die Betroffenheit der Jugendlichen in Frage zu stellen. Nach dem Motto: „Was würdest Du denken, wenn jemand sagen würde, ich hasse alle Muslime, weil… was würde das dann bedeuten?“ Zugleich ginge es auch darum, abwertende Aussagen als Grenzüberschreitung zu benennen und eventuell Betroffene zu schützen.
Workshop 4: Säkularität(en) im Rahmen des interreligiösen Dialogs: Aushandlungsprozesse junger Erwachsener inmitten religiöser und säkularer Lebensbereiche und Wertvorstellungen
Im Workshop „Säkularität(en) im Rahmen des interreligiösen Dialogs: Aushandlungsprozesse junger Erwachsener inmitten religiöser und säkularer Lebensbereiche und Wertvorstellungen“, moderiert von Tanja Berg, wurde erneut über das Verhältnis von Religion und Säkularismus diskutiert, das bereits Oliver Hidalgo in seinem Input thematisiert hatte. Im Mittelpunkt stand dabei aber die Frage nach dem Umgang in der Praxis.
So ging es etwa um die gefühlte Gegensätzlichkeit zwischen säkularen und religiösen Menschen, die bei näherer Betrachtung jedoch viele Werte teilten. Es sei in der politischen Bildungsarbeit wichtig, dies hervorzuheben. Säkular dürfe keinesfalls mit wertfrei gleichgesetzt werden.
Weitgehende Übereinstimmung herrschte in der Runde zu folgenden Punkt: Wenn religiöse oder anders orientierte Menschen davon ausgehen, dass auch andere sich an Werten orientieren und diese Werte oft mit den eigenen im Einklang stehen, können sie das Zusammenleben mit den jeweils anderen nicht nur tolerieren, sondern auch akzeptieren.
Während einige Teilnehmer*innen den Ansatz vorschlugen, dass es in der Diskussion mit Jugendlichen darum gehen solle, nach Gemeinsamkeiten in den Positionen zu suchen und so Brücken zu bauen, gab es dazu auch Gegenstimmen:
Die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner sei nicht immer der beste Ansatz, da in manchen Fällen nur wenig Substanz übrigbleibt. Egalitäre Differenz könne dann die bessere Option sein: Man einige sich darauf, dass man nicht einer Meinung ist, könne dies aber aushalten. Dies kann aber nur funktionieren, wen das Machtgefälle nicht zu stark ist.
Am Ende der Diskussion zeigte sich: Egal, an welchem Aspekt die Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Verhältnissen, Religion(en) und der Säkularisierung in Deutschland ansetzt, immer landet sie bei der Erkenntnis, dass Rassismus in der Gesellschaft und die Machtverhältnisse zwischen Mehrheit und Minderheit, zwischen Alteingesessenen und neu Dazugekommenen, zwischen Männern und Frauen ganz entscheidende Faktoren sind. Von ihnen hängt ab, unter welchen Bedingungen das Zusammenleben und das Verhältnis von Religion und Politik ausgehandelt werden kann.
Im Anschluss an die Workshops fand eine Debatte zwischen Nina Eleni Sarakini von HEROES Berlin und Özcan Karadeniz vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften in Leipzig statt. Beide diskutierten zum Thema „Kulturalisierungen und Zuschreibungen – vom Umgang mit Stolz, Ehre und Verantwortung“. Hier können Sie die Debatte im Wortlaut nachlesen:
Ergebnisse
Der Fachtag war geprägt von intensiver Auseinandersetzung zwischen Kolleg*innen aus unterschiedlichen Fachbereichen und Tätigkeitsfeldern. Die Diversität der fachlichen Hintergründe erwies sich dabei als bereichernd: Manche Teilnehmer*innen verstanden sich als eher wenig religiös, andere verstanden sich als gläubig. Manche arbeiteten im Kontext von Prävention und Demokratieförderung mit Jugendlichen, wieder andere engagierten sich in der interreligiösen Zusammenarbeit. Gemeinsam war ihnen, dass sie sich mit politischer Bildung vor allem mit Jugendlichen beschäftigen und es in ihrer Arbeit häufig um Themen rund um gelebte Religion und Zusammenleben in der Gesellschaft geht.
In der Diskussion wurden häufig Beispiele aus der praktischen Bildungsarbeit zur Diskussion gestellt. Wie lassen sich die theoretischen Erkenntnisse über Religion und Säkularisierung und die damit verknüpften Themen Rassismus und Diskriminierung in die pädagogische Praxis umsetzen? Viele Perspektiven kamen zusammen und der Fachtag war geprägt von einer sehr kollegialen Auseinandersetzung.
Ganz deutlich wurde in der Diskussion, dass wir weit entfernt sind vom Ideal eines gleichberechtigten Aushandlungsprozesses im Kontext von Demokratie, Gesellschaft, Religion und Bildung, wie es im Titel der Veranstaltung suggeriert wird. Es sei, so ein Teilnehmer, eventuell nötig, den Titel zu verändern: Statt eines Aushandlungsprozesses auf Augenhöhe sei es vielleicht realistischer, von einen politischen Kampf zu sprechen, in dem sich Minderheiten ihre Rechte erstreiten müssten – womit sich auch für die politische Bildung neue Fragestellungen ergeben würden.