Islamismus wird seit der Jahrtausendwende auch als Phänomen unter Jugendlichen in Deutschland beobachtet und diskutiert. Das Phänomen wirkt, soziologisch gesehen, provokativ und ruft gesellschaftliche Irritationen und Kontrollreaktionen hervor. Erstere drücken sich vor allem in der Frage aus: Warum wenden sich junge Menschen islamistischen Ideologien zu?
Islamismus als Antwort auf Fragen der Jugendphase
Diese Frage ist zweifellos interessant, zugleich aber auch problematisch. Denn viele Antworten darauf unterstellen kausale Zusammenhänge zwischen sozialen Merkmalen von Jugendlichen und Ereignissen in ihrem Leben und der Übernahme islamistischer Positionen. Man kann den Akzent etwas anders setzen und fragen: Worin besteht der Mehrwert, den Jugendliche aus islamistischen Orientierungen ziehen? Auf welche Fragen sind islamistische Orientierungen eine Antwort? Und in welcher Weise werden diese Orientierungen für Jugendliche sinnvoll?
Diese Fragen haben wir uns in einer Studie gestellt, in der wir Jugendliche, die in unterschiedlicher Weise im Feld des Islamismus involviert waren, mithilfe autobiografisch-narrativer Interviews zu ihrer Lebensgeschichte befragt haben (vgl. Frank/Scholz 2023)[1]. Wir haben mit Jugendlichen gesprochen, die sich an islamistischen Deutungsangeboten orientierten und Elemente islamistischer Symboliken in ihre Alltagspraxis übernommen und sich in diesem Sinne radikalisiert haben. Dabei waren diese Jugendliche ganz unterschiedlich im Feld involviert: Einige waren nur wenige Monate, andere mehrere Jahre in islamistischen Kontexten unterwegs; einige hatten persönliche Verbindungen zu islamistischen Gruppen, andere vergemeinschafteten sich virtuell; einige waren als islamistische Straftäter aufgrund versuchter oder gelungener Ausreise in das syrische Kampfgebiet verurteilt; einige waren konvertiert, andere hatten einen muslimischen Hintergrund; einige haben sich vom Islamismus und vom Islam wieder distanziert, andere distanzierten sich von islamistischen Orientierungen, behielten aber ihre (neue) Identität als Muslim oder Muslima. Uns interessierten alle lebensgeschichtlichen Erfahrungen, die für die Jugendlichen bedeutsam waren und die über eine bloße „Radikalisierungsgeschichte“ hinausgehen. Damit haben wir den weiteren biografischen und lebensweltlichen Kontext erfasst, durch den die Bedeutung, die diese Orientierungen für diese Jugendlichen hatten oder haben, erst verständlich wird. Am Beispiel dieser Erzählungen haben wir jugendtypische Erfahrungen rekonstruiert und gezeigt, inwiefern islamistische Orientierungen Antworten und Lösungsstrategien für diese Erfahrungen bieten.
Die Phase der Jugend und ihre Charakteristika – was es heißt, heutzutage in unserer Gesellschaft jung zu sein – bilden einen weiteren wichtigen Kontext, um die Bedeutung islamistischer Orientierungen zu verstehen. Ein Kennzeichen dieser Phase sind strukturelle – also nie ganz endgültig lösbare – Krisen:
So stehen Jugendliche vor der Herausforderung, angesichts pluralisierter Lebensstile und Lebensentwürfe das eigene Leben individuell zu gestalten und ihm Sinn zu geben. Sie sind gefordert, Chancen zu erkennen und zu nutzen, Lebenspläne und eine unverwechselbare Persönlichkeit zu entwickeln und sich zugleich zu integrieren und einen Platz in der Gesellschaft zu finden (vgl. Gärtner 2013). Dabei wird ihnen eine Zeit lang ein gewisser Spielraum zugestanden. Wir gehen davon aus, dass alle Jugendlichen in irgendeiner Weise mit diesen Krisen und Anforderungen umgehen müssen, daher verstehen wir Krisen nicht als von vornherein problematisch, sondern eher im Sinne von Phasen, in denen sich Dinge entscheiden und in denen Entscheidungen getroffen werden (müssen). Allerdings bieten solche kritischen Phasen auch Gelegenheiten für problematische Erfahrungen.
In unserer Studie haben wir gezeigt, wie Jugendliche mit der Übernahme islamistischer Deutungsangebote solche krisenhaften Erfahrungen artikulieren und versuchen, die damit verbundenen Probleme zu lösen. Wir haben drei Bereiche ausgemacht, in denen die Jugendlichen krisenhafte Erfahrungen gemacht haben und in denen die Orientierung am Islamismus aus ihrer Perspektive (vorübergehend) eine gute Lösung ist: Erstens geht es um krisenhafte Erfahrungen im Bereich der Grenzziehung und Individuierung, zweitens um Erfahrungen des Kontrollverlustes vor dem Hintergrund devianter Karrieren oder ausgedehnter Orientierungskrisen und drittens um die Erfahrung sozialer Marginalisierung und unsicherer Zugehörigkeit. Islamismus übernimmt bezogen auf diese drei Bereiche – Grenzziehung, Handlungskontrolle und Vergemeinschaftung – die drei Funktionen der starken Grenze, der starken Ordnung und der starken Gemeinschaft.
Starke Grenze
Wer bist du? – so könnte man die erste Frage zuspitzen, die Jugendlichen gestellt wird, die sie sich selbst stellen und auf die sie eine Antwort finden müssen. Es gehört zu den gesellschaftlichen Erwartungen, dass Jugendliche zu einer eigenständigen Persönlichkeit werden, sich also individuieren und ablösen, und gleichzeitig ihren Platz im Gefüge ihrer Familien und Peers finden – hier also anschließen. Werde du selbst, aber bleibe erkennbar!, könnte man die Anforderung auf den Punkt bringen. Abgrenzung und Anschluss sind also zwei Seiten der „Individuierungsmedaille“. In Bezug auf diese Anforderung dient die Orientierung am Islamismus als starke Grenze. Dabei geht es zum einen um Grenzziehungen zur eigenen Familie und Herausforderungen, die mit dieser Suche nach Autonomie einhergehen können. Zum anderen spielen hier auch Erfahrungen von Ausschluss und Nichtanerkennung in der Suche nach Gemeinschaft mit Gleichaltrigen eine Rolle. Beides ist damit verbunden, dass sich Jugendliche im Rahmen von selbstreflexiven Prozessen ein Stück weit selbst fremd werden und dies zum Problem wird. Die Orientierung am Islamismus und ihre praktische Umsetzung bietet nun den schärfstmöglichen Kontrast zur eigenen Familie und dem Peer-Umfeld. Sie kommt als das maximal Fremde ins Spiel. Die Jugendlichen betonen so das Eigene und grenzen sich auf bedeutungsvolle Weise ab und aus; sie zeigen ihrem Umfeld, dass sie nicht dazugehören. Sie berufen sich dabei auf eine überindividuelle Ordnung und auf Autoritäten, die nicht aus ihrem sozialen Umfeld stammen. Die Grenzen, die sie ziehen, haben symbolischen Charakter. So artikuliert, dramatisiert und repräsentiert etwa das Tragen traditioneller islamischer Kleidung und die veränderte Lebenspraxis das Außenstehen symbolisch. Dies provoziert aber auch Grenzziehungen von Seiten der Familie und Peers, wie die damit häufig einhergehenden Spannungen und Konflikte im persönlichen Umfeld dann zeigen (vgl. auch Scholz 2020).
Die Orientierung am Islamismus übersteigert und intensiviert die Abgrenzungs- und Individuationsbemühungen: sowohl durch die rigide Ausführung religiöser Regeln und die strenge Alltagsstrukturierung als auch durch die auffällige Symbolik. Dabei treiben sich die Jugendlichen in Richtung einer immer strengeren religiösen Praxis voran. Je stärker die Ablehnung aus dem Umfeld ist, umso „richtiger“ erscheint die Orientierung aus religiös-ideologischer Sicht. Auf diese Weise machen die Jugendlichen die Grenze für sich erfahrbar und für alle anderen sichtbar: Sie werden vor den Augen ihrer Familien oder Freunde zu Anderen. Damit gewinnen sie relative Autonomie gegenüber Familie oder Peers – es gelingt ihnen Anschluss und Abgrenzung zugleich: Denn einerseits erschaffen sie sich etwas, zu dem sie sich bekennen können, das außerhalb ihres familiären und alltäglichen sozialen Umfeldes liegt. Andererseits ziehen sie eine Grenze, ohne dass problematische Strukturen in den bestehenden Beziehungen verändert oder dass diese gänzlich abgebrochen werden müssen (aber können). Konflikte werden symbolisch auf der Ebene der Religion bzw. Weltanschauung ausgetragen, aber nicht unbedingt auf der Handlungsebene gelöst (vgl. Wohlrab-Sahr 1999a, S. 355–359). Die Lösung des Problems der Grenzziehung besteht damit im demonstrativen, radikalen Wechsel der sozialen Identität.
Starke Ordnung
Was machst du? – ist die nächste Frage, die Jugendliche gestellt bekommen und die sie sich selbst stellen. Jugendliche sehen sich mit der Erwartung konfrontiert, etwas aus ihrem Leben zu machen, Chancen zu nutzen und Lebenspläne zu entwickeln. Darauf bezieht sich die zweite von uns ausgemachte Funktion islamistischer Orientierungen: „Islamismus als starke Ordnung“. Hier spielen Erfahrungen des Kontrollverlustes eine wichtige Rolle, zum einen vor dem Hintergrund devianter Karrieren, zum anderen vor dem Hintergrund längerer Orientierungskrisen. In beiden Varianten fällt es den Jugendlichen schwer, eine längerfristige biografische Perspektive zu entwickeln und biografische Stationen – etwa Schulbesuch, Lehre, Studium – mit eigenen Perspektiven und Plänen zu verbinden. Aus den gegebenen Chancen und Optionen werden (noch) keine eigenen Ziele formuliert und Strategien entwickelt, um diese Ziele zu erreichen. Vielmehr lassen sich die Jugendlichen von Gelegenheitsstrukturen leiten und wissen immer wieder nicht, „wie weiter“. Sie orientieren sich situativ und machen die Situation selbst für eigenes Handeln (und Scheitern) verantwortlich. Sie nehmen ihre Handlungen als Resultat einer bestimmten Situation wahr, weniger als Resultat ihrer eigenen Intention. Wir haben hier eine Lebensführung rekonstruiert, die zwischen Erfahrungen des Kontrollverlusts und Versuchen pendelt, die Kontrolle über das eigene Leben zurückzugewinnen. Die jungen Menschen „driften“.
Die eigene Identität und soziale Position bleiben dabei dauerhaft unsicher. Das Selbstbild und die Handlungen – so, wie man sich sieht und das, was man tut – fallen dabei immer wieder auseinander. Sie orientieren sich zwar an gesellschaftlichen moralischen Normen, brechen diese aber immer wieder oder scheitern an ihren Ansprüchen. Peer- und milieuspezifische Orientierungen bzw. die eigene Verunsicherung lassen es kaum zu, neue Identitätsfacetten und Lebensentwürfe zu entfalten. Die Jugendlichen erfahren ihre Lebenswelt und Orientierungskrisen als beschränkend. Hinzu kommen Fremd- und Selbstetikettierungen, die sich aus gesellschaftlichen Kontrollreaktionen auf deviante Handlungsakte (Verurteilungen, Haftstrafen, Etikettierung als schlechte oder schwierige Schüler*in usw.) und aus Erfahrungen des Scheiterns (bspw. durch Schulabbrüche, Beziehungskrisen, erfolglose Jobsuche) sowie später als Reaktion auf die Orientierung am Islamismus ergeben.
Mit seiner Regelfixierung stellt der Islamismus eine starke Ordnung her, die verspricht, sich selbst und die eigene Umwelt zu kontrollieren, die eigene Lebensführung zu disziplinieren und die eigene soziale Stellung zu sichern. Er eröffnet neue Facetten von Identität und Lebensgestaltung und liefert ein Regelwerk, das es ermöglicht, auf der Ebene der Selbstwahrnehmung ein ganz neuer Mensch zu werden. Dabei geht es allerdings weniger um etwas tatsächlich „Neues“ als vielmehr um eine „Charismatisierung“ des Bestehenden (vgl. Lipp 2010/1985). So werden beispielsweise Straftaten oder biografische Abbrüche auf neue Weise – nämlich im Hinblick auf eine höhere Ordnung – gerechtfertigt. Gleichzeitig geht die Verengung der Orientierung mit einer Verengung des Bezugsmilieus und der biografischen Optionen wie Arbeitsmöglichkeiten und Freundschaften einher. Die Jugendlichen geraten in (teilweise kriminelle) Kontexte, die sie von ihren bisherigen Lebens- und Erfahrungsräumen entfernen und die zueinander in Widerspruch geraten.
Im Kern geht es hier also um Chancen und Herausforderungen von sozialer Mobilität und sozialer Ordnung in einer Phase, in der das erfolgreiche Durchlaufen von Institutionen wie Schule, Lehre und Studium über den zukünftigen Platz in der Gesellschaft entscheidet. Die Jugendlichen machen Erfahrungen des Driftens und des Verlustes von Handlungsmacht bezogen auf die Erwartung, etwas aus dem eigenen Leben zu machen. Für sie fallen Ziele und Mittel auseinander. Islamismus als starke Ordnung ist insofern eine Antwort auf die Erwartungen und die Risiken, die mit sozialer Mobilität verbunden sind: einerseits der Anspruch, dass Chancen individuell genutzt und biografisch sinnvoll umgesetzt werden, andererseits das Risiko, dass man an der Kluft zwischen objektiver Chance und individuell verfügbaren Mitteln zur Umsetzung dieser Chance scheitert. In den extremsten Varianten nehmen die Jugendlichen schließlich (real oder virtuell) einen Platz außerhalb dieser Gesellschaft und jenseits der Kluft ein.
Starke Gemeinschaft
Zu wem gehörst du? – könnte man die dritte Frage an Jugendliche auf den Punkt bringen und damit auf die gesellschaftliche Erwartung an soziale Integration verweisen. Darauf bezieht sich die dritte Funktion, die wir rekonstruiert und „Islamismus als starke Gemeinschaft“ genannt haben. Diese bezieht sich auf Erfahrungen von sozialer Isolation und prekärer Zugehörigkeit in zwei Varianten.
In der ersten Variante geht es um reale Vergemeinschaftung in einer konkreten islamistischen Gruppe. Das Handeln der Gruppe wird als gemeinschaftliche und vergemeinschaftende Aktion wahrgenommen und – auch im Hinblick auf eventuell kriminelles oder moralisch strittiges Handeln – ideologisch rationalisiert und legitimiert. Die ideologischen Begründungen selbst sind hier aber nicht zentral und nicht identitätsstiftend. Zentral sind hingegen reale Beziehungen, die (zunächst) für verlässliche Freundschaften gehalten werden.
In der anderen Variante geht es um eine weltweite Umma als imaginäre Gemeinschaft und ein imaginäres Territorium aller „muslimischen Länder“, in das die Jugendlichen symbolisch emigrieren und zu dem sie ihre Zugehörigkeit symbolisch ausdrücken (vgl. Wohlrab-Sahr 1999, S. 294–326). Bei dieser Variante ist die ideologische Rahmung von wesentlicher Bedeutung. Die vorgestellten Gemeinschaften haben nicht den Charakter von konkreten Ersatzfamilien oder Ersatzfreunden, sondern sind ideelle Gegengemeinschaften mit idealisierten Akteuren und stark religiös-ideologisch gerahmt. In dieser Logik sehen die Jugendlichen alle Muslim*innen und islamistischen Kämpfer als „Geschwister im Islam“ und als Mitglieder einer großen Familie.
Im Falle der realen Vergemeinschaftungen kam es schließlich auch zu (versuchten als auch gelungenen) realen Ausreisen in das syrische Kampfgebiet, im Falle der imaginären Gemeinschaft zur symbolischen Emigration bzw. einer gedankenexperimentellen Teilnahme an einem ideologischen Kampf. In beiden Varianten geht es um das Motiv der Zugehörigkeit zu einer neuen Gemeinschaft und um das Ausbrechen aus und der Bekämpfung vorher bestehender sozialer Zusammenhänge (vgl. Wohlrab-Sahr 1999, S. 291–354). Die Orientierung am Islamismus ist hier die Antwort auf Erfahrungen von sozialer Marginalität und brüchiger Zugehörigkeit: so in Bezug auf familiäre und freundschaftliche Beziehungen, in Form von zeitweiliger (Selbst-)Ausgrenzung aus dem Peer-Umfeld oder in Bezug auf familienbiografische Diskontinuitäten.
Paradoxe Lösungen
Islamistische Orientierungen lassen sich als untypische Lösungen für typische Bewältigungsaufgaben der Jugendphase beschreiben: Sie beziehen sich auf konkrete biografische Erfahrungen und bieten konkrete Antworten – auf Fragen und Probleme, für die es (besonders in dieser Lebensphase) keine einfachen Antworten und routinierte Lösungen gibt.
Mit der Orientierung am Islamismus werden biografische Herausforderungen und Krisen symbolisch ausgedrückt, dramatisiert und durch Umdeutung gelöst (vgl. Lipp 2010/1985). Sie bietet eine totalisierende Antwort auf alle zwingenden Fragen. Hierin liegt auch ihre besondere Problematik. Mit ihren absoluten und umfassenden Geltungsansprüchen versperren islamistische Orientierungen individuelle, pragmatische oder kontextabhängige Entscheidungen, die für Identitätsfindung und Persönlichkeitsentwicklung erforderlich sind. Darüber hinaus erschweren sie die Kommunikation mit anderen und damit auch die Reflexion, Korrektur und Weiterentwicklung eigener Selbst- und Weltdeutungen.
Die Problemlösung wird so zum Problem: Hinter der starken Grenze riskieren Jugendliche, sich selbst so fremd und von Anderen so fremd gemacht zu werden, dass sie sich selbst nicht mehr erkennen und erkannt werden – sie „gehen verloren“. Die starke Ordnung ist dagegen eine Kontrollstruktur, die Möglichkeiten der Selbstdefinition und des Handelns massiv einschränkt; die starke Gemeinschaft ist eine Gemeinschaft, die vom sozialen Umfeld und dem eigenen gesellschaftlichen Kontext isoliert. Schließlich schafft die religiös-ideologische Struktur eine ganz eigene Logik und Dynamik der sozialen Bezugnahmen und der Kommunikation mit Anderen, die sich der Kontrolle der Beteiligten immer stärker entziehen.
Entscheidend für die Verfestigung von islamistischen Orientierungen im Jugendalter – oder für das Hinterfragen und Infragestellen dieser – ist zum einen, wie sehr die Orientierung selbst als Problem erfahren wird (etwa durch die negativen Reaktionen aus dem Lebensumfeld oder durch staatliche Kontrollreaktionen), zum anderen inwieweit konkrete Andere im Alltag verfügbar bleiben und alternative Deutungs- und Handlungsmuster denk- und erfahrbar halten. Islamistische Orientierungen stabilisieren sich dagegen bei jenen, bei denen das Bezugsproblem bestehen bleibt und für die sich (vorerst) keine Deutungsalternative bietet.
Literatur
Frank, Anja/Scholz, Anna F. (2023): Islamismus in der Jugendphase. Eine rekonstruktive Studie zu Radikalisierungsprozessen. Reihe: Rekonstruktive Forschung in der Sozialen Arbeit. Verlag Barbara Budrich.
Frank, Anja/Scholz, Anna F. (2022): Wenn Jugendliche sich fremd machen – Islamistische Radikalisierung als Selbstbefremdung und Selbstausgrenzung. In: Wohlrab-Sahr, Monika/Tezcan, Levent: Islam in Europa. Institutionalisierung und Konflikt. Soziale Welt, Sonderband 25. Baden-Baden, S. 241–269.
Gärtner, Christel (2013): Religiöse Identität und Wertbindungen von Jugendlichen in Deutschland, in: Christof Wolf & Matthias König (Hrsg.): Religion und Gesellschaft. Sonderheft 53 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Wiesbaden, S. 211–233.
Lipp, Wolfgang (2010/1985): Stigma und Charisma. Über soziales Grenzverhalten. 2. Auflage, Würzburg
Scholz, Anna Felicitas (2020): Religiosität und Familie im frühen Hinwendungsprozess zum gewaltorientierten Islamismus – Rekonstruktionen biografischer Erzählungen. In: Langner, Joachim/Herding, Maruta/Hohnstein, Sally/Milbradt, Björn (Hrsg.): Religion in der pädagogischen Auseinandersetzung mit islamistischem Extremismus. Halle (Saale), S. 34–53
Wohlrab-Sahr, Monika (1999): Konversion zum Islam in Deutschland und den USA. Frankfurt
Fußnoten
[1] Dieser Artikel beruht auf dem gemeinsam mit Anna F. Scholz veröffentlichten Buch „Islamismus in der Jugendphase. Eine rekonstruktive Studie zu Radikalisierungsprozessen“ (Frank/Scholz 2023). Die dem Buch zugrundeliegende Studie wurde von 2015 bis 2019 am Deutschen Jugendinstitut e.V. durchgeführt und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert. Für weitere Details siehe Frank/Scholz 2023, besonders S. 8 und S. 49–54.
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