Ein paar Tage noch, dann beginnt der Ramadan. Für viele Muslim_innen ist es die schönste Zeit des Jahres, vielen Lehrer_innen hingegen steht der Fastenmonat als besondere Herausforderung bevor: Was wird aus Klassenarbeiten und Referaten? Schließlich müssen bald Zeugnisse geschrieben werden. Wieviel Rücksicht sollten sie auf die Fastenden nehmen? Wann gilt es einzuschreiten? Nachdem wir zum Ramadan 2016 ein Dossier mit Aussagen von Schüler_innen, Lehrer_innen und Eltern zusammengestellt hatten, um das Thema aus Sicht der betroffenen zu beleuchten, haben wir in diesem Jahr einen Ethik-Kunst-Kurs an der Robert-Koch-Schule in Berlin-Kreuzberg besucht und mit ihnen diskutiert. Als Grundlage dienten dabei die Aussagen einiger der Gesprächspartner vom vergangenen Jahr.
Aylin Yavas: Vielen Dank, dass ihr mit uns diskutieren wollt. Es ist immer sehr nett bei Euch.
Julia Gerlach: Wie ihr vielleicht wisst, wird ja unsere Webseite von vielen Lehrerinnen und Lehrern gelesen und wir wollten Euch bitten, sie ein bisschen zu beraten: Was erwartet und erhofft ihr Euch von euren Lehrern? Was können sie tun, was muss geschehen, dass der Ramadan nicht zu Konflikten führt, sondern für alle ein guter Monat wird?
Aylin Yavas: Dazu wollten wir gerne erstmal eine allgemeine Frage stellen: Welche Rolle spielt der Ramadan für euch? Stellt euch vor, dies ist eine Messlatte. Hier auf der rechten Seite steht groß und dort drüben steht klein. Wenn der Ramadan für Euch also eine große Rolle spielt, dann stellt euch hier hin, wenn die Rolle nicht so groß ist, dann geht dort drüben hin. Es sind aber auch Abstufungen möglich.
Julia Gerlach: Okay, also es stehen ziemlich viele ganz auf der Seite, wo groß steht. Eine andere Gruppe steht in der Mitte des Raumes und dann gibt es noch einige dazwischen. Das müsst ihr uns einmal erklären: Darf ich dich einmal fragen. Wieso spielt der Ramadan für dich eine große Rolle?
Aleyna: Ich bin jetzt nicht so krass religiös, aber ich faste und halte meine Pflichten ein. Ich finde beim Fasten auch wichtig, dass man da mitfühlen kann, wie sich die Leute fühlen, die nichts zu essen haben.
Furkan: Für mich ist es auch wichtig. Warum? Weil es meine Religion ist.
Egemen: Ich stehe in der Mitte, denn selbst wenn ich nicht fasten sollte, dann fasten doch meine meisten Freunde und ich nehme Rücksicht. Wenn ich essen möchte, dann gehe ich weg.
Julia Gerlach: Und ihr steht dort drüben? Für Euch spielt der Ramadan eine Rolle, aber keine so große, warum?
Eylem: Ich finde, man soll ein guter Muslim sein, nicht nur wenn man fastet. Man sollte das ganze Jahr ein guter Mensch sein und ein reines Herz haben.
Helin: In meiner Familie und in meinem Freundeskreis fasten nur wenige. Ich merke aber natürlich hier in der Schule, dass Ramadan ist, weil hier so viele fasten. Wir sind schließlich eine Schule mit 95 Prozent Kindern mit Migrationshintergrund. Mehr als 80 Prozent sind Muslime.
Aylin Yavas: Dann wollen wir einmal eine andere Übung machen. Alle, die schon einmal einen Workshop bei uns gemacht haben, kennen diese Methode. Die Übung heißt Gallery Walk. Wir haben sechs Stationen im Klassenraum aufgebaut und legen an jede Station ein Plakat mit einem Zitat. Sie stammen aus Interviews, die wir im vergangenen Jahr mit Schülern und Schülerinnen, Lehrern und Lehrerinnen und Eltern zum Thema Ramadan in der Schule gemacht haben. Dazu legen wir jeweils Stifte und ihr sollt bitte Kommentare zu den Aussagen schreiben. So wie auf Facebook: Ihr könnt die Aussage kommentieren oder auch das, was eure Mitschüler_innen geschrieben haben: Antwortet, kritisiert oder stimmt zu! Nach drei Minuten wechselt ihr zur nächsten Station.
20 Minuten später
Aylin Yavas: So, jetzt seid ihr wieder an der Station angekommen, an der ihr begonnen habt, oder? Dann schaut bitte, was die Anderen in der Zwischenzeit geschrieben haben. Sucht die drei wichtigsten und interessantesten Kommentare heraus und stellt sie uns dann vor.
„Ich denke, dass an den Tagen, an denen Prüfungen sind, nicht gefastet wird und natürlich müssen die Kinder trotzdem ihre Hausaufgaben machen und Üben. Auch das gehört zum Fasten“ (ein Vater)
Ahmet: Wir hatten hier die Aussage eines Vaters. Interessant fanden wir folgende Kommentare: „Es soll jedem selbst überlassen sein. Denn die guten Taten schreibt man nur für sich selbst und nicht für andere“ und „Es kommt auf die Person an, ob man sich konzentrieren kann oder nicht. Da muss jeder selbst entscheiden, ob er an einem Prüfungstag fasten kann oder nicht“
Furkan: Hier ist noch eine: „Wenn man an schweren Tagen fastet, dann wird man dafür mehr belohnt. Es zählt also mehr. Fasten ist doch dazu da, dass man die anderen Menschen versteht, die hungern“.
Julia Gerlach: Dieser Vater schlägt ja vor, dass die Schulen die Schüler nicht schonen sollen. Was haltet ihr davon? Sollte es in der Schule während des Ramadan eine Schonzeit geben? Dass zum Beispiel keine Klausuren geschrieben werden?
Samer: Nein, es sollten sich eher die Schüler darauf einstellen. Wenn man es nicht schafft, zu fasten und eine gute Klausur zu schreiben, dann soll man einen Tag aussetzen und das Fasten später nachholen.
Furkan: Das finde ich nicht. Man soll fasten, wenn man es kann und es geht auch darum, dass es schwer ist.
Julia Gerlach: Und wenn Du deswegen deine Klausur vermasselst? Das ist doch auch schlecht.
Ahmet: Ich schreibe die Klausur trotzdem. Das ist doch meine Sache.
„Es kommt nicht selten zu sehr absurden Situationen: Da behaupten Kinder in der Schule, dass sie fasten und wegen des Ramadans nicht am Sport- oder Schwimmunterricht teilnehmen können und sie riskieren einen großen Konflikt mit den Lehrern. In Wirklichkeit fasten sie gar nicht und haben genau deswegen Stress zu Hause mit den Eltern. Typisch Pubertät, tragen sie Konflikte an zwei Fronten aus. Das lässt sich vermeiden, wenn Lehrer sich heraushalten und so den Konflikt gar nicht erst aufkommen lassen.“ (ein Lehrer)
Eylem: Hier steht als Kommentar: „Es ist die Entscheidung des Kindes ist, ob es fastet. Die Eltern dürfen sich nicht in die freie Religionsausübung einmischen“. Wir haben uns aber gedacht, dass da vielleicht noch etwas Anderes dahintersteckt. Dass da vielleicht in der Klasse Druck ausgeübt wird und sich der Junge nicht traut zu sagen, dass er nicht fastet.
Julia Gerlach: Ich kann mich gut an das Gespräch mit dem Vater erinnern: Der wollte damit verdeutlichen, wie manche Schüler das Thema Fasten nutzen, um Lehrerinnen und Eltern zu provozieren.
Samer: Es gibt ja auch noch viele andere Gründe, weshalb man am Sportunterricht nicht teilnehmen kann. Kopfschmerzen zum Beispiel.
Julia Gerlach: Was ist denn die überzeugendere Ausrede: Wenn man sagt, dass man Kopfschmerzen hat oder wenn man fastet?
Aylin Yavas: Jetzt sind hier eure Lehrer anwesend, deswegen ist das vielleicht eine heikle Frage. Aber kommt so etwas bei auch vor?
Furkan: Im Islam ist es so, dass man ab der Pubertät fasten soll. Dieser Junge da, um des es geht, der fastet nicht nur nicht, sondern er lügt auch noch. Das ist eine schwere Sünde.
Ahmet: Wenn Du deine Religion ausnutzt, weil du keine Lust hast Sport zu machen, dann zeigt das doch schon, dass es kein besonders religiöser Mensch ist, der das sagt.
„Ein bisschen Rücksicht kann nicht schaden und vielleicht könnte ein Auge zugedrückt werden, wenn die Schülerinnen in diesem Monat nicht schwimmen wollen. Es ist ja nur einmal im Jahr. Was die Benotung von Klassenarbeiten angeht, sollen sie aber keine Zugeständnisse machen.“ (eine Lehrerin)
Bedia: Einer hat geschrieben: „Man kann ja an den Tagen, an denen Schwimmen ist, das Fasten aussetzen und dann später nachfasten“. Ein anderer hat geschrieben: „Es ist nicht schlimm, wenn man mal einen Monat keine Klassenarbeiten schreibt. Es ist ja nur einmal im Jahr“. Und hier steht: „Man kann im Ramadan ausnahmsweise einmal etwas anderes machen und nicht schwimmen“.
Julia Gerlach: Hier kommt ja jetzt wieder die Frage auf, wieviel Rücksicht genommen wrden sollte. Das ist ja besonders in diesem Jahr wichtig, wo der Ramadan in die Zeit fällt, wo die letzten Klausuren geschrieben werden und sich die Noten entscheiden. Wie soll denn das werden: Sollen die Lehrer das dann lieber aufschieben?
Bedia: Meiner Meinung nach ist es kein Problem. Ich kann mich auch konzentrieren, wenn ich faste.
Julia Gerlach: Aber wäre es nicht ganz nett, wenn die Schule so auf die Muslime zugehen würde und die Klassenarbeiten nicht im Ramadan schreiben lassen würde.
Bedia: Das ist nicht notwendig, aber natürlich wäre es eine nette Geste, wenn es passieren würde.
Aylin: Es geht aber auch um den Schwimmunterricht. Kann mir das einmal jemand erklären? Warum kann ich nicht schwimmen im Ramadan?
Samer: Wenn man im Ramadan schwimmt, dann kann man dabei aus Versehen Wasser in den Mund bekommen und außerdem gerät man im Schwimmbad in Versuchung, halbnackten Frauen nachzuschauen und das soll man im Ramadan ja auch nicht.
Aylin Yavas: Wieso ist es denn im Ramadan besonders wichtig, dass man nicht auf den Bauch einer Frau oder den Hintern eines Mannes guckt?
Samer: Wieso Hintern eines Mannes?
Aylin Yavas: Na, ich wollte das nicht so stehen lassen, dass nur die Männer den Frauen nachgucken. Schließlich gucken auch Frauen. Warum ist es im Ramadan besonders wichtig, dass man das nicht tut?
Samer: Das ist so eine Vorschrift. Man soll nicht in Versuchung geraten und man soll keine Hintergedanken haben, weil es einen vom Fasten und dem Gedanken an Gott abgelenkt werden könnte.
„In meiner Klassenstufe gibt es einige Jungen, die Druck machen. Sie sagen: Wer nicht richtig fastet, ist kein Muslim.“ (ein Schüler)
Rukiye: Hier steht: „Jeder ist für sich selber verantwortlich“ und „Manche nehmen Medikamente und dürfen gar nicht fasten“
Julia Gerlach: Warum habt ihr diese erste Aussage genommen, dass jeder für sich selbst verantwortlich?
Asya: Man darf niemanden zwingen oder unter Druck setzen oder auch nur sich in das Leben der anderen einzumischen.
Aylin Yavas: Ist denn das etwas, was vorkommt bei euch. Dass Druck ausgeübt wird, dass alle fasten müssen?
Helin: Nicht direkt Druck, aber es gibt schon einige, die dann so komische Fragen stellen. Äh, wieso fastest Du denn nicht? Das kann schon unangenehm sein. Da kommen so Fragen, glaubst Du denn nicht?
Rukiye: Vor allem, weil es ja nicht wirklich ein Zeichen ist, dass jemand Muslim ist. Da kann jemand toll fasten, aber danach trinkt er wieder und macht lauter Scheiß. Man kann einen Menschen nicht einfach zu Nichtmuslim erklären, nur weil er nicht fastet.
Aleyna: Es gibt diese Fragen, aber da geht es eher darum, ob man vor der Person trinken kann oder lieber nicht. Da ist es eher gut gemeint.
Mabier: Es ist in unserer Religion verboten, über einen anderen Muslim zu urteilen, ob er Muslim ist. Wenn jemand das macht, wird er doch automatisch selbst zum Nicht-Muslim. Deswegen ist diese Aussage ganz falsch. Das ist individuell und nur Gott kann entscheiden.
Egemen: Diese Unterscheidung zwischen guten und schlechten Muslim gibt es gar nicht wirklich. Das gibt es nur bei ISIS.
Ahmet: Die wollen die Religion in ihrer Richtung verdrehen.
Aylin Yavas: Bei mir ist es doch so, dass ich eigentlich genau weiß, dass Fasten Teil meiner Religion ist, aber ich mache es trotzdem nicht. Die von ISIS wissen doch auch, dass Islam Frieden ist und ….
Samer: Bist Du denn Muslimin? Darf man das fragen? Bist Du Muslimin?
Aylin Yavas: Ja, ich bin Muslimin…. Also, bei ISIS wissen die doch auch ganz genau, dass Islam Frieden bedeutet, und die machen dann das, was sie für Frieden halten.
Asya: Der Vergleich zu ISIS ist vielleicht etwas komisch. Das Fasten macht man ja für sich und ISIS mischt sich in das Leben von anderen Leuten ein. Sie ermorden sie, weil sie denken, dass die anderen keine Muslime sind und deswegen getötet werden müssen.
Aylin Yavas: Ich möchte noch einmal fragen, ob es bei Euch Leute gibt, die dieses Problem kennen, dass ihnen Fragen gestellt werden oder dass Druck ausgeübt wird.
Helin: Das kenne ich. Natürlich fragen mich die Leute, ob ich faste, aber es ist normal. Es stört mich nicht.
Julia Gerlach: Das war in dem Fall des Schülers, um den es geht, sehr schlimm. Der hat sich nicht in die Schule getraut, ohne zu fasten, weil die Jungen aus der Klasse so stark Druck gemacht haben.
Melek: Ich kriege immer ein schlechtes Gewissen. Ich darf nämlich nicht fasten. Aber das ist nicht leicht. Ich esse und trinke dann nicht, wenn Fastende dabei sind.
Helin: diesen Druck darf man nicht an sich heranlassen. Man muss sich dagegen wehren.
„Ich gebe offen zu: Ich halte nichts von Ramadan. Schon gar nicht für Kinder in der Pubertät. Mit denen ist doch auch so schon kaum etwas anzufangen. Wenn die dann noch fasten, können sie sich endgültig nicht mehr konzentrieren. Wenn sie wenigstens etwas trinken würden. Aber dieses Fasten der Muslime ist doch extrem gesundheitsschädlich. Ich habe den Eindruck, dass die meisten fasten, weil sie von ihren Eltern dazu angehalten werden. Bei einem Jungen in meiner Klasse hatte ich letztes Jahr aber auch den Eindruck, dass er es macht, um mich zu ärgern!“ (eine Lehrerin)
Egemen: Ich finde, der Spruch klingt rassistisch. Sie sagt das so abwertend. Sie sagt: Dieses Fasten der Muslime und dass mit diesen Kindern nichts anzufangen ist. Ich finde, dass die Frau sich einen anderen Job suchen soll. Wenn sie mit pubertierenden Jugendlichen nichts anfangen kann, dann ist sie falsch im Job der Lehrerin.
Helin: Naja, aber was soll sie denn machen. Vielleicht können sich die Jugendlichen wirklich nicht konzentrieren.
Egemen: Es geht hier nicht um den Inhalt. Mich stört die Art, wie sie das formuliert.
Samer: Diese Lehrerin arbeitet mit Jugendlichen in der Pubertät und dann sagt sie, dass man mit Jugendlichen in der Pubertät nichts anfangen kann. Dann soll sie doch etwas Anderes arbeiten.
Egemen: Ich habe hier drei Kommentare herausgesucht. Der erste ist von mir: „Nein, Fasten ist gesund. Es reinigt den Darm“. Das habe ich so gelesen.
Samer: Ich weiß nicht genau, ob es wirklich gesund ist, aber ich denk mal. Wobei, wenn man dann abends so viel isst, ist es vielleicht gar nicht gesund. Aber hier haben wir es einmal hingeschrieben. Wegen der Lehrerin. Da muss man mal was sagen.
Egemen: Ja, mir gefällt die Ausdrucksweise der Lehrerin nicht. Dann habe ich noch herausgesucht: „Es gibt viele Menschen, die nichts zu essen haben. Fasten fördert das Mitgefühl und die Empathie“.
Julia Gerlach: Und das würdet ihr der Frau antworten?
Samer: Ich würde sagen: Such dir einen anderen Job!
Egemen: Ich denk, da ist es voll egal, was da für Jugendliche sind. Ob nun Christen, Muslime oder andere. Die ist einfach voll genervt.
Samer: Hört sie das?
Julia Gerlach: nee, vielleicht liest sie es. Aber keine Sorge.
Samer: Ich habe voll Lust, der einmal die Meinung zu sagen.
Mabir: Ich finde es generell nicht schön, wenn Lehrerinnen zu solchen Themen sich äußern. Ein Lehrerinnen soll doch die Kinder nicht beeinflussen. Nachher fasten die dann vielleicht nicht mehr, wenn die Lehrerinnen ihnen zu verstehen geben, dass sie sich durch das Fasten belästigt fühlen.
Melek: Das glaube ich nicht. Die Kinder sollten doch wissen, warum sie fasten und sich nicht von solchen dummen Aussagen beeinflussen lassen.
„Letztes Jahr war ich mit einer Klasse während des Ramadan auf Abschlussfahrt in Paris. Ich hatte fast damit gerechnet, dass die Muslime zuhause bleiben würden. Aber Paris wollten sie sich nicht entgehen lassen und zu meiner Verwunderung gab es überhaupt keine Probleme“ (eine Lehrerin)
Melek: haben folgende Kommentare herausgesucht: „Man sollte den Alltag wie üblich gestalten. Zu Hause sitzen und fasten ist nicht Sinn und Zweck des Fastens“ und: „Muslime sind auch Menschen. Vorurteile gegen Muslime soll es nicht geben.“ Wir fanden, dass es ganz normal ist, dass die Jugendlichen mitfahren.
Aylin Yavas: Das ist ja eigentlich eine gute Haltung von der Lehrerin.
Melek: Ja, das ist bestimmt gut gemeint.
Julia Gerlach: Was erwartet ihr denn insgesamt von euren Lehrern. Welche Haltung sollen sie annehmen: Sollen sie den Ramadan einfach ignorieren oder sollen sie vielleicht rausgehen, wenn sie etwas essen wollen?
Melek: Das wäre natürlich eine gute Geste.
Julia Gerlach: Letztes Jahr, als ich die Interviews gemacht habe, da hatten manche Lehrer auch großes Mitleid. Die sagten, dass es ihnen so leidtue, dass die Kinder fasten müssten und dass sie ihnen am liebsten Wasser geben würden. Was haltet ihr davon?
Melek: Nee, Mitleid brauchen die nicht zu haben. Die Kinder fasten ja freiwillig. Sie haben sich dafür entschieden. Da braucht man sich nicht zu bemitleiden. Man muss einfach ganz normal sein. Spaß haben. Ramadan ist doch kein Hindernis.
Egemen: Wenn ich faste, dann erwarte ich nicht, dass Sie jetzt sich anders verhalten. Ich mache das doch für mich. Wenn Sie nicht direkt vor mir trinken, finde ich das nett, aber ich laufe ja auch auf der Straße herum und sehen zum Beispiel, wie jemand in einen fetten Döner beißt. Da denke ich mir dann: Nachher gönne ich mir auch einen.
Julia Gerlach: Und wie ist es mit Anerkennung. Ist das etwas, was ihr euch wünsch. Dass die Leher sagen, dass sie es toll finden, wenn ihr es durchhaltet zu fasten?
Aleyna: Nein, Das Fasten macht man nur für sich und man soll sich auch nicht damit brüsten. Das ist so, wie wenn man ein Foto von sich macht und dann dazu schreibt: Ich gehe jetzt beten. Das soll man auch nicht machen.
Helin: Ich habe mal eine Frage: Ist es nicht voll unlogsch, erst den ganzen tag zu fasten und dann abends sich vollzuschlagen. Wäre es nicht besser, dann auch nur ein bisschen zu essen?
Eylem: Warum spendet man nicht einfach. Das bringt doch den Armen viel mehr als dass ich lerne, wie sich Hunger anfühlt.
Aleyna: Man soll doch auch spenden. Das ist auch eine Pflicht im Islam.
Marbir: Unser Prophet hat gesagt. In unserem Magen soll Essen, Wasser und Luft sein. Das heißt, dass man nur ein bisschen essen soll. So wie es in der Religion steht ist es richtig, aber die Menschen machen es falsch.
Ahmet: Jetzt kannst Du klar denken, aber nach 12 Stunden fasten doch nicht und ich kann nicht den ganzen Tag durchhalten und dann esse ich am Ende nur eine Gurke.
Samer: Wenn man nach dem Sinn fragt: Ich glaube, es geht darum, dass man kennenlernt, wie man sich nach zwölf Stunden ohne Essen fühlt.
Julia Gerlach: Wie lernt man denn eigentlich zu fasten?
Ahmet: Ich habe so mit fünf angefangen und dann erstmal nur ein paar Stunden. Ab der Pubertät ist es dann Pflicht und das braucht man nicht zu lernen.
Zum gleichen Thema die Handreichung, die von einem Runden Tisch in Berlin-Neukölln erarbeitet wurde: Die Neuköllner Empfehlungen: Ramadan in der Schule