Plattform Kunst & Kültür: nicht halb-halb, sondern doppelt
29. Januar 2016 | Diversität und Diskriminierung, Geschichte, Biografien und Erinnerung, Jugendkulturen und Soziale Medien

„Kunst und Kültür“ ist eine zweisprachige Plattform für Kunst- und Kulturschaffende und Interessierte. Mit KuKü-Gründer Ömer Mutlu traf sich Aylin Yavaş und sprach mit ihm über Möglichkeiten, jungen Künstler_innen eine Plattform zu geben, und über die Idee, einen Shop zu gründen, in dem Produkte von jungen Designern – von Seife über Kleidung bis hin zu Möbeln – verkauft werden.

Was ist „Kunst und Kültür“?

KuKü ist ein junges Start-Up, das Digitalen Content produziert. Wir sind auf die Themen Kunst und Kultur zwischen Balkan und dem Nahen Osten spezialisiert.

Die Idee entstand nach meiner Ausbildung vor fast 10 Jahren. Wir waren ungefähr 150 Absolventen, von denen hatte außer mir noch einer einen muslimischen Hintergrund. Das fand ich einfach schade und habe mich gefragt: Wieso gibt es so etwas wie Arte nicht für meinen Kulturkreis? Ich bin viel in Social Media unterwegs und habe mich lange darüber aufgeregt, dass die deutsche Mainstream-Medienlandschaft nicht divers genug ist. Es gibt halt einen Günther Jauch oder Joko und Klaas, Jan Böhmermann, Maischberger etc. – das sind auch super Leute, aber sie repräsentieren mich nicht. Ich fühle mich von ihnen meistens nicht angesprochen. Das ist nicht meine Sprache, nicht mein Spirit. Irgendwann dachte ich mir: Anstatt dich darüber aufzuregen, mach es doch besser. So entstand die Idee von KuKü. Heute geht es mir unter anderem darum, dass ich muslimische Jugendliche mehr für Medien begeistern will. Damit sie sich mehr mit Kunst beschäftigen, sich mit Medien und der Gesellschaft, aber auch mit ihrer eigenen Identität, kritisch auseinandersetzen. Auch vom Balkan bis zum Nahen Osten gibt es Leute, die einen urbanen Lifestyle haben, die Kunst machen, die Streetart machen. Aber die findet man hier in der Masse nicht wieder. Ich versuche, den Nahen Osten noch näher zu bringen. Und genau das tun wir im Internet, denn dort sind wir zuhause und damit können wir sehr viele Leute erreichen.

Wie sieht denn eure Arbeit aus?

Wir haben einen Blog. Dort finden sich Artikel, in denen Künstler und ihre Arbeiten – meistens Fotos oder Videos – vorgestellt werden. Wir führen auch selbst Interviews und sprechen mit Kunst- und Kulturschaffenden über alltägliche Sachen oder aktuelle Weltgeschehnisse.

Ich finde das total spannend, wohin sich Kultur entwickelt und wohin sie führt. Wir versuchen mit denjenigen Menschen ins Gespräch zu kommen, die das mitbeeinflussen. Das sind nicht ausschließlich Fußballstars oder Schauspieler, sondern eher diejenigen, die sonst nirgendwo eine Plattform bekommen. Und dann haben wir auch den Shop, mit dem wir junge Designer supporten und unsere selbst produzierten Sachen verkaufen.

Im nächsten Jahr wollen wir Workshops anbieten für Frauen, die im Bereich PR- und Öffentlichkeitsarbeit aktiv werden wollen. Der Grund dafür ist die Annahme, dass junge muslimische Frauen eher an solchen Workshops teilnehmen würden, wenn diese von Menschen geleitet werden, mit denen sie sich identifizieren können.

Wir machen also eigentlich ganz viel. Auf Türkisch sagt man ja „Bir şey yapacaksan, adam gibi yap“ – „Wenn du eine Sache machst, dann mach‘ sie richtig“. Aber so bin ich nicht, ich denke, man kann auch drei Sachen gleichzeitig gut machen.

Was ist denn Kultur für dich?

Für mich ist Kultur alles, was wir uns selbst schaffen. Unser Instagram-Channel ist Kultur, wie wir hier sitzen und miteinander sprechen ist Kultur. Kultur ist für mich aber auch das Zusammenspiel von alten Traditionen mit der Moderne und mein/dein Lifestyle – junge Europäer sind auch Kultur. Sprechen, fragen, nachhaken – das ist auf jeden Fall die Kultur von KuKü.

Und warum finden sich denn in euren Texten oft Worte aus dem Türkischen?

Das fängt ja schon im Namen an, ich hätte es auch Kunst und Kultur nennen können. Aber ich wollte darauf nicht verzichten, denn ich wollte das man sieht: Kunst, das ist ein deutsches Wort, Kültür ist ein türkisches Wort – und das funktioniert nebeneinander. Und das machen wir auch in vielen Texten.

Mir geht es auf jeden Fall auch um Sprache. Ich finde es sehr schade, wenn zum Beispiel junge Leute aus türkischen Familien ihre Muttersprache verlernen. Ich frage mich, woran das liegt. Warum ist es selbstverständlich, dass Arte seine Inhalte zweisprachig gestaltet, aber bei Türken ist es ein Tabu? In meiner Kindheit hieß es auch immer: „Almanca konuş“ – „Sprich deutsch“. Türkisch wurde in der Gesellschaft nie als Bereicherung angesehen. Das finde ich schade. Wie schwer ist es eine Sprache zu lernen? Aber es ist anscheinend so einfach, sie zu vergessen.

Das klingt sehr nach dem Integrationsdiskurs. Meinst du, es geht in unserer Generation noch um Integration?

Nein, überhaupt nicht. Integration ist Schnee von gestern. Das hat die Mehrheitsgesellschaft auch schon erkannt. Jetzt geht es darum, sich auf Augenhöhe zu begegnen, angefangen von der Wirtschaft bis hin zur Wissenschaft und vor allem aber in den Medien. Natürlich gibt es super gute Journalistinnen und Journalisten mit Migrationshintergrund – oder Migrationsgeschichte. Allein diese Worte zeigen schon: Wie soll man uns nennen? Früher habe ich mich immer Deutsch-Türke genannt, aber das bin ich nicht, ich bin in Österreich geboren, dann nach Deutschland gezogen und meine Eltern sind Türken. Oder auch Neue Deutsche. Ich bin aber auch kein neuer Deutscher, weil das impliziert, dass die alten Deutschen schlecht sind und ersetzt werden müssen. Oder manchmal heißt es ja auch, ich wäre halb-halb. Ich frage mich, warum nicht doppelt? Ich habe doppelt so viele Feiertage, doppelt so viele Skills. Bei KuKü ist es uns deswegen ganz wichtig, dass wir junge Europäer sind.

Du sagst, dass es bei euch auch darum geht, Leute sichtbar zu machen. Mir fällt immer wieder auf, dass Menschen, die sich gesellschaftlich engagieren, oft auch studiert haben. Haben Menschen ohne akademischen Abschluss vielleicht auch geringere Chancen zu partizipieren? Versucht ihr, die auch mit einzubeziehen?

Das kritisiere ich auch oft. Die Elite wird von der Elite gefördert oder diese Akademikertreffen – das ist alles gut und das will ich nicht schlecht reden. Aber 13- oder 14-jährige Kids fühlen sich davon nicht angesprochen und auch nicht repräsentiert. Wer denkt an sie? Solche Kids aus sozial schwächeren Familien verdienen es ebenso, gefördert, gepusht zu werden und zu partizipieren.

Wer kann bei euch mitmachen?

Mitmachen kann grundsätzlich jeder, der Interesse hat an der Kunst- und Kulturlandschaft vom Balkan bis Middle East. Jeder, der bloggen kann und Interesse hat am Recherchieren, der Lust hat, neue, ungesehene Sachen zu entdecken, der offen ist und sein Wissen, seine Meinung gerne mit anderen teilt, kann uns unterstützen. Wir haben in unserem Blog extra dafür eine Seite eingerichtet.

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