Lieber Thilo!
30. August 2018 | Diversität und Diskriminierung, Geschichte, Biografien und Erinnerung, Religion und Religiosität

Er hat es wieder getan: Heute wurde in Berlin Thilo Sarrazins neues Buch „Feindliche Übernahme – Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“ vorgestellt. Unsere Kollegin Sakina Abushi war auf der Pressekonferenz.

Lieber Thilo,

och Mensch, du hast es ja schon wieder getan. Du hast ein neues Buch geschrieben: „Feindliche Übernahme – Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht.“ Schön grün ist das Cover – ist das eigentlich Absicht? Du sagst, dass du ganz besonders stolz bist, dass es auf den Tag genau acht Jahre nach deinem letzten Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ in die Läden kommt – acht Jahre, in denen, wie du sagst, alles noch viel schlimmer gekommen ist, als du es damals vorausgesagt hast.

Du hast den Koran gelesen – von der ersten bis zur letzten Seite. Krass, wieviel Mühen du dir bei der Recherche gemacht hast. Die Lektüre hat dir nicht sehr zugesagt, du hast so viele gewaltvolle und schwer verständliche Stellen gefunden. Jetzt ist dir auch endlich klar, warum „islamische“ Gesellschaften weltweit so unterentwickelt, warum die Muslime in Deutschland so wahnsinnig schlecht integriert und muslimische Frauen unterdrückt sind. Ach so, wusstest du eigentlich, dass es in vielen arabischen Ländern viel mehr Professorinnen gibt als in Deutschland? Es sind nämlich hierzulande gerade mal 23%. Aber klar, Frauen sind in unserem „europäischen Zivilisationsmodell“ definitiv gleichberechtigt.

Jetzt, wo du den Koran gelesen hast (ich bin immer noch beeindruckt), ist dir auch endlich klar, warum Islamismus und Terror die Welt in Atem halten. Dazu einer kleiner Tipp: Google doch mal „Kolonialismus“, die „Mudschaheddin“ oder „Syrischer Bürgerkrieg“. Aber warum so viel Zeit verlieren – es gibt ja praktischerweise für jedes zeitgenössische Problem die passende Sure. Da hast du übrigens einiges mit Islamisten und Salafisten gemein, die den Koran ebenfalls wortwörtlich verstehen. Leider aber eher wenig mit der Mehrzahl der Muslime und ihrer jahrtausendealten Tradition der Interpretation und Rechtsprechung, die davon ausgeht, dass der Koran und die Sunna des Propheten stets neu ausgelegt werden müssen – eine anspruchsvolle Aufgabe, der du dich als studierter Volkswirt aber zum Glück völlig gewachsen fühlst.

Wie wäre es denn, wenn du mal die deutsche Innenpolitik oder europäische Wirtschaftspolitik im Lichte der Bibel interpretierst? Ich denke, das wäre eine gute Idee für dein nächstes Buch, was meinst du? Schließlich werden wir hier im christlich-abendländischen Kulturkreis doch immer noch in der Mehrzahl von Christen regiert – oder nicht? Ach so, das sind gar keine Christen? Die christliche Kultur ist diesen Menschen, so wie dir, „nur kulturelle, aber nicht religiöse Heimat“? Na dann…

Da die Muslime so rückständig sind, sich aber gleichzeitig so rasend schnell vermehren, stellen sie deiner Meinung nach eine große Gefahr für Deutschland dar. Du sprichst von der „dem Islam innewohnenden demographischen Sprengkraft“ und der „schleichenden Islamisierung“ durch „demographische Überwältigung“. Du gehst davon aus, dass Muslime in zwei bis drei Generationen die Mehrzahl der Bevölkerung in Deutschland stellen werden und hast das auch ganz verlässlich mit durchschnittlichen „muslimischen Geburtenraten“ und einer „prognostizierten Einwanderungsquote“ bis 2100 berechnet. Zahlen übrigens, über die es in unserem Staat keine seriösen Statistiken gibt – beeindruckend, wie du trotzdem mit ihnen rechnen kannst. Wahrscheinlich profitierst du noch von den guten Kontakten aus deiner Zeit als Finanzsenator? Der Berliner Landeshaushalt zehrt ja noch heute von deiner Weitsicht – und deinem Mut zur Lücke.

In deinen Albträumen sehen „große Teile Deutschlands so wie die Sonnenallee in Neukölln aus“ – und die Gesetzgebung ist komplett islamisiert. Als Folge befürchtest du eine „fühlbare Abnahme der kognitiven Fähigkeiten in Europa“. Ich würde mir ein bisschen mehr Geschichtsbewusstsein von dir wünschen. Ist dir bewusst, dass das hier Deutschland ist? Was glaubst du, wie es für internationale Beobachter klingt, wenn du wie heute morgen bei der Buchvorstellung von einem „schleichenden Bevölkerungsaustausch“ sprichst? Das erinnert nicht nur mich an antisemitische Hetzschriften, an die Rede vom jüdischen „Staat im Staate“, den klassischen Vorwurf an die Juden, sich in der deutschen Gesellschaft abzusondern.

Um diesen „schleichenden Bevölkerungsaustausch“ zu verhindern, sollte deiner Meinung nach die Einwanderung von Muslimen nach Deutschland grundsätzlich unterbunden werden. Das betrifft sowohl die reguläre wie auch irreguläre Migration. Du machst da auch ganz konkrete Vorschläge: So soll die Genfer Flüchtlingskonvention in ihrer Gültigkeit auf Europa begrenzt werden – ein wunderbarer Trick, auf den wir schon längst hätten kommen können. Abgelehnte Asylbewerber sollen deiner Meinung nach notfalls „unter militärischem Schutz“ in ihre Heimatländer zurückgebracht werden, denn die „Entsendung“ illegaler Migranten und Flüchtlinge stellt deiner Meinung nach einen feindlichen Angriffsakt dieser Staaten auf unsere Bundesrepublik dar. Wie stellst du dir das konkret eigentlich vor? Sollen Bundeswehrsoldaten syrische Flüchtlinge mit vorgehaltener Waffe über die türkische Grenze eskortieren? Es wäre schön, wenn du da noch ein wenig ausholen könntest.

Du sagst, du betreibst „Islamkritik“. Es ist doch komisch: Von „Christentumkritik“ oder „Judentumkritik“ habe ich noch nie gehört. „Islamkritik“ also. Die muss doch wohl drin sein, oder? Im Islam, denkst du, sei eine „Tendenz zum Beleidigtsein“ angelegt. In der SPD wird schon wieder diskutiert, dich aus der Partei zu werfen, obwohl niemand dort deine Bücher gelesen hat. Und die Grünen sehen dein Buch als „Brandbeschleuniger“ für Hass und Gewalt. Ich weiß: Keiner mag dich – und die, die es doch tun, naja mit denen willst du wirklich kein Bier trinken gehen. Und dabei stellst du dich so mutig jeder Diskussion mit dem „linken und liberalen Milieu“, „Islamwissenschaftlern“ oder „professionellen Demokratieverstehern“! Du bist ja auch gerne und jederzeit bereit, dazuzulernen – aber faktenbasiert und empirisch dicht belegt, na klar. Darum hier unsere Einladung: Komm doch mal rüber nach Kreuzberg. Statte uns bei ufuq.de einen Besuch ab. Wir gehen auf der Sonnenallee einen Tee trinken, und dann diskutieren wir dein neues Buch. Vielleicht laden wir ein paar Muslime ein, aber du musst keine Angst haben: Die sind alle sehr gut integriert. Oder wir machen eine große Show draus – dein Pressesprecher organisiert das sicher gerne.

Ach, es gibt ja noch so viel zu sagen. Dein Buch ist so dick, und insgesamt muss ich sagen, dass du echt viel gelesen hast. Den ganzen Koran! Du hast es wirklich versucht – aber irgendwie bist du auf die schiefe Bahn geraten. Mit deinen Schlussfolgerungen können wir so gar nichts anfangen. Aber hey, komm mal her, lass dich drücken – alles wird gut, und Angst musst du auch nicht haben. No one left behind, versprochen.

Ich muss jetzt auch los, meinen Vater zum Flughafen bringen. Interessante Geschichte, übrigens: Mein Vater ist in den 70er Jahren als junger Medizinstudent nach Deutschland gekommen. Er hat das Land Anfang der 2000er nach gut 30 Jahren und einer erfolgreichen Medizinerlaufbahn wieder verlassen, um sich ein Leben in der arabischen Welt aufzubauen. Der Hauptgrund war, dass er sich hier als Muslim und Araber nie akzeptiert gefühlt hat. Er war eine Woche zu Besuch da, heute steigt er wieder in den Flieger. Das letzte, was er von Deutschland sieht, werden wohl die Schlagzeilen zu deinem neuen Buch sein.

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