Schulen sind wichtige Lern- und Lebensorte, um Belastungen durch globale Krisen und Konflikte zu verarbeiten. Wie können Schüler*innen gestärkt werden, um mit Krisen- und Belastungssituationen umzugehen und Selbstwirksamkeit auch unter widrigen Bedingungen zu erfahren? Und wie lässt sich die Resilienz von Kollegien fördern, um diesen zunehmenden Herausforderungen gerecht zu werden, ohne selbst den Boden zu verlieren?
Um Kinder und Jugendliche für den Umgang mit Krisen und Belastungssituationen besser zu wappnen, sollten sie durch Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte im Ganztag in ihrer Resilienzentwicklung unterstützt werden. Schule als Lebens- und Lernort bietet dafür einen geeigneten Rahmen. Dabei spielt auch die Förderung der Teamresilienz eine wichtige Rolle: Ein Team, das oft selbst an der Belastungsgrenze agiert, braucht Unterstützung und gute Strategien, um die Leistungsfähigkeit auch in belastenden Situationen und unter schwierigen Rahmenbedingungen aufrecht zu erhalten.
Resilienz – das neue Schlagwort
Die Fähigkeit, akute Krisen oder Belastungen zu bewältigen, ohne daran zu zerbrechen bzw. daraus ggf. sogar gestärkt hervorzugehen, wird im Lebensverlauf erworben und Resilienz genannt (Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse 2018). In der Physik beschreibt Resilienz die Eigenschaft von Materialien, trotz einer großen Druckausübung in ihre ursprüngliche Form zurückzufinden (Stegmann 2020). Im pädagogischen Kontext wird mit Resilienz eine innere Stärke bzw. die Fähigkeit beschrieben, belastende Situationen zu meistern. Florian Roth (2020) ergänzt diesen Aspekt der „Robustheit“ – d. h. nach einer Störung in den Ursprungszustand zurückzukehren (bounce back) – um den Aspekt der „Anpassungsfähigkeit“ – d. h. sich kontinuierlich an veränderte Umweltbedingungen anpassen zu können (bounce forward). Das Zukunftsinstitut spricht von „Unsicherheitskompetenz und Zukunftsmut“ (2022: 15).
Die Entwicklungspsychologin Emmy Werner beschäftigte sich bereits in den 1950er Jahren mit den Langzeitfolgen eines Aufwachsens von Kindern unter schwierigen Bedingungen. In einer Längsschnittstudie untersuchte sie gemeinsam mit ihrer Kollegin Ruth Smith den gesamten Geburtenjahrgang 1955, der auf der Pazifik-Insel Kauai geboren wurde. Sie begleitete die Kinder – später als Erwachsene – über 40 Jahre, um herauszufinden, ob sich schlechte Bedingungen des Aufwachsens von Kindern auf das Verhalten im Erwachsenenalter auswirken. Die Forscherinnen stuften von den insgesamt 698 Kindern, die alle in einem sozio-ökonomisch belasteten Umfeld aufwuchsen, etwa ein Drittel als sogenannte Hochrisikokinder ein, weil sie bis zu ihrem dritten Lebensjahr bereits von mindestens vier Risikofaktoren wie Armut, psychischer Krankheit der Eltern, Gewalt in der Familie oder traumatischen Erlebnissen betroffen waren. Sie stellten fest, dass etwa zwei Drittel dieser Hochrisikokinder im Laufe ihrer Entwicklung verhaltensauffällig oder straffällig wurden. Die Forscherinnen interessierten sich für das Drittel der Kinder, die sich trotz der widrigen Lebensumstände psychisch gesund (Werner 2011) entwickelt hatten. Was war bei diesen Kindern anders? Die wichtigste Erkenntnis: Alle diese Kinder hatten mindestens eine enge vertrauensvolle Bezugsperson an ihrer Seite. Darüber hinaus stellten die Forscherinnen fest, dass es weitere Schutzfaktoren gab, die risikomildernd und entwicklungsfördernd wirken können. Dazu gehören:
- personale Ressourcen wie z. B. positive Temperamentseigenschaften, ein positives Selbstbild und Fantasie zu haben oder ein erstgeborenes Kind zu sein;
- familiäre Ressourcen wie z. B. ein emotional unterstützender Erziehungsstil oder ein stabiles und liebevolles familiäres Netzwerk und
- soziale Ressourcen wie z. B. das Eingebundensein in soziale Gruppen, der Besuch qualitativer Bildungsinstitutionen, Anerkennung und Wertschätzung (Wustmann 2020).
In späteren Forschungen wurden diese Schutzfaktoren um sogenannte Resilienzfaktoren ergänzt. Das sind „Eigenschaften, die das Kind in der Interaktion mit der Umwelt sowie durch die erfolgreiche Bewältigung von altersspezifischen Entwicklungsaufgaben im Verlauf erwirbt“ (Wustmann 2020: 46).
Faktoren der Resilienzentwicklung
Welche Aspekte die Resilienzentwicklung begünstigen, wird in Forschung und Literatur jedoch unterschiedlich bewertet. Viele Forscher*innen nehmen dabei eine starke Erwachsenenperspektive ein (vgl. z.B. Heller 2015). Für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen erscheint der Ansatz, welcher vom Zentrum für Kinder- und Jugendforschung an der Hochschule Freiburg entwickelt wurde, hilfreicher. Das Team um Prof. Dr. Fröhlich-Gildhoff hat in langjährigen Forschungsprojekten mit Kindergärten und Grundschulen sechs Resilienzfaktoren herausgearbeitet: Soziale Kompetenz, Problemlösekompetenz, Selbstwirksamkeit, Selbststeuerung, Selbst- und Fremdwahrnehmung und Stressbewältigung (Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse 2018). Diese Faktoren sind allerdings stark auf das einzelne Individuum bezogen und lassen den Blick auf die Gemeinschaft und den Wert des Eingebundenseins vermissen.
In der Studie „Zukunftskraft Resilienz“ beschrieb das Zukunftsinstitut diesbezüglich einen Paradigmenwechsel: „Individuelle Resilienz muss grundsätzlich in Richtung einer co-individuellen Verbundenheit gedacht werden“ (2022: 57). Mit Blick auf die Handlungsebene „Mensch“ wurden sechs Resilienz fördernde Handlungsansätze benannt: Gemeinsame Werte kommunizieren, Wir-Kultur pflegen, Kreativität ermöglichen, Achtsamkeit fördern, Sinn stiften und ganzheitlich handeln. Diese Handlungsansätze zur Entwicklung einer gemeinschaftlichen Resilienz ergänzen die personalen Resilienzfaktoren von Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse; zusammengenommen bilden diese zwölf Aspekte eine geeignete Grundlage, um systematisch Maßnahmen und Angebote zu entwickeln, die die Resilienz von Kindern und Jugendlichen fördern:
Die sozialen Kompetenzen werden gestärkt, wenn eine Wir-Kultur gelebt wird, die auf gemeinsamen Werten basiert. Neben klaren Strukturen braucht es in pädagogischen Einrichtungen ebenso Freiräume, in denen sich die Kinder kreativ einbringen können. Kreativität stärkt die Improvisationsfähigkeit und hilft dabei, ungewöhnliche oder unkonventionelle Problemlösungen zu entwickeln. Achtsamkeit in Bezug auf sich selbst und andere schärft die Wahrnehmung von Emotionen und Bedürfnissen. Reaktionen lassen sich besser einschätzen, wenn man weiß, was das Gegenüber beschäftigt oder belastet. Dadurch wird auch die Selbststeuerung der eigenen Impulse beeinflusst und bestenfalls verletzendes Verhalten vermieden. Ein achtsames Miteinander trägt dazu bei, Stressempfinden bei sich selbst und bei anderen leichter zu erkennen und Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Empfinden Menschen ihr Handeln als sinnstiftend – für sich oder für andere – erleben sie sich als selbstwirksam.
Ein ganzheitlicher Ansatz ist dabei besonders zielführend. Kinder allein durch gezielte Angebote zu fördern, reicht nicht aus. Es braucht ebenfalls Antworten auf die Frage: Wie können Eltern dabei unterstützt werden, für ihre Kinder ein sicheres und Resilienz förderndes Umfeld zu gestalten? Darüber hinaus braucht es psychisch gesunde und stabile Lehr- und Fachkräfte, die nicht überlastet sind. Die Teamresilienz im Blick zu behalten ist dafür unerlässlich. Um das Team vor Überlastung zu schützen, ist es zudem hilfreich, einen guten Überblick über das vorhandene Unterstützer*innen-Netzwerk zu haben. Zu wissen, an welche Beratungsstellen Eltern vermittelt oder welche Bewegungs- bzw. Entspannungsangebote durch externe Expert*innen gestaltet werden können, kann ein Team sehr entlasten.
Resilienzförderung bei Pädagog*innen
Um Kinder gut bilden, betreuen und für die Zukunft stärken zu können, sollte in einem ersten Schritt mit der Etablierung gesundheits- und resilienzfördernder Teammaßnahmen im pädagogischen Alltag begonnen werden. Damit Teams belastbar und resilient bleiben bzw. werden, braucht es Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen.
Trägerebene/Arbeitgeber*in
Arbeitgeber*innen sollten Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung anbieten. Dabei können Maßnahmen am Verhalten der Mitarbeitenden ansetzen (Verhaltensprävention), wie z. B. die Bereitstellung von Entspannungsangeboten, welche zur Stressbewältigung beitragen. Zudem können Maßnahmen getroffen werden, welche die Arbeitsbedingungen verbessern (Verhältnisprävention), wie beispielsweise das Bereitstellen ergonomischen Mobiliars oder ein einrichtungsübergreifendes Personalvertretungskonzept zur Vermeidung von Überlastung (BfG 2020). Ein Leitbild, das auf gemeinsamen Werten basiert, und teambildende Aktivitäten stärken die Wir-Kultur, sorgen für ein Gemeinschaftsgefühl und erhöhen das Wohlbefinden.
Leitungsebene
Eine hohe Verantwortung liegt bei den Schulleitungen. Durch eine Mitarbeitendenführung, die von Vertrauen und Achtsamkeit geprägt ist, kann die Leitung frühzeitig Anzeichen psychischer Belastung erkennen und angemessene Unterstützung anbieten. Wertschätzung und positives Feedback bestärken Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte und lassen sie ihr Handeln als sinnstiftend empfinden. Klare Strukturen erhöhen Transparenz und Sicherheit: Z. B. durch Teamberatungen, die mit einem Überblick zum persönlichen Befinden starten, einen definierten Zeitanteil für Organisatorisches haben und ausreichend Zeit für fachlichen Austausch oder kollegiale Beratung bieten. Ein partizipativer Leitungsstil mit geteilter Verantwortung und Einbindung der Mitarbeitenden in möglichst viele Entscheidungen erhöht das Selbstwirksamkeitsempfinden. Zudem regen Entscheidungsfreiräume die Kreativität an und fördern innovative Problemlösungen. Zur Stressbewältigung kann die Leitung beitragen, indem sie trotz Personalknappheit dafür Sorge trägt, dass alle Mitarbeitenden ihre Pausenzeiten einhalten und ein Rückzugsraum für sie zur Verfügung steht (ifp 2021).
Ein entscheidender Faktor für mehr Gesundheit und Wohlbefinden im Team ist die psychologische Sicherheit der Teammitglieder. Wenn die Leitung es schafft, im Team eine Wir-Kultur zu etablieren, in der niemand Angst haben muss, sogenanntes risikobehaftetes Verhalten zu zeigen, wie beispielsweise sich kritisch zu äußern, eine abweichende Meinung zu sagen, ungewöhnliche Ideen einzubringen oder andere um Hilfe zu bitten bzw. wenn das sogar erwünscht ist, dann stärkt das ein Team. Es wird Veränderungen gegenüber offener und kann auf Krisensituationen flexibler und innovativer reagieren (Bachmann/Möller 2021).
Teamebene
Auch das Miteinander im Team trägt zur Aufrechterhaltung von Gesundheit, Wohlbefinden und Belastbarkeit bei und stärkt die Teamresilienz. Achtsamkeit im Umgang miteinander ist dabei der wichtigste Aspekt. Dazu gehört auch, die Unterschiedlichkeit der Kolleg*innen wertzuschätzen. Werden Heterogenität in Bezug auf Alter, Erfahrungen, Lebensstile, Interessen und Stärken als Bereicherung gesehen, fällt es leichter, offen auf die Ideen anderer zu reagieren, Aufgaben stärkenorientiert zu verteilen oder jemand anderen um Hilfe zu bitten. Insbesondere in Konfliktsituationen oder stressigen Arbeitsphasen ist es wichtig, sich zu vertrauen, um offen eigene Belastungsgrenzen ansprechen zu können und sich gegenseitig zu unterstützen. Eine positive Teamatmosphäre bildet dafür die Grundlage. Feste, Teamevents oder gemeinsame kleine Pausen fördern den informellen Austausch sowie das gegenseitige Verständnis. Für Entlastung sorgt auch der Austausch über herausfordernde Situationen. Solche Gespräche bauen Anspannung ab, weil man sich gehört und verstanden fühlt. Ein starkes Team kennzeichnet zudem eine lösungsorientierte Grundhaltung. Es verharrt in Problemsituationen nicht in einer Opferhaltung, sondern richtet seine Aufmerksamkeit auf Möglichkeiten und Lösungen, die in seinem Einflussbereich liegen. Es setzt sich realistische Ziele, nutzt Handlungsspielräume, aber akzeptiert auch das Unabänderliche, ohne zu verzagen (Huber 2019).
Individuelle Ebene
Auf der individuellen Ebene gibt es viele Möglichkeiten der Selbstfürsorge. Für Stressbewältigung hilft es beispielsweise, sich bewusst zu beobachten, um herauszufinden: „Was löst bei mir im Arbeitsalltag Stressempfinden aus? Woran erkenne/n ich und andere, dass ich gestresst bin?“ (DKJS 2022: KW28) Zudem hilft es, die eigenen Grenzen und Reaktionen auf Stress zu kennen. Nur so kann man Bewältigungsstrategien entwickeln und auch anwenden (Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse 2018). Ein achtsamer Blick auf sich selbst offenbart jene „Trigger“, auf die man emotional reagiert. Sich diese Strategien zur Selbststeuerung anzueignen, hilft dabei, auch in emotional herausfordernden Situationen professionell und handlungsfähig zu bleiben. Das eigene Handeln als sinnvoll zu erleben – für sich, andere oder die Gemeinschaft – stärkt das Individuum: „Wer die eigene Anstrengung als lohnend ansieht, dem gelingt es leichter, auch in Krisenzeiten Motivation und einen optimistischen Blick in die Zukunft zu behalten. Sinnhaftigkeit bietet Orientierung – ein Stück weit weg von der eigenen kritischen Lage hin zum größeren Ganzen“ (Zukunftsinstitut 2021: 64). Wird das persönliche Handeln nicht nur als sinnstiftend, sondern auch als erfolgreich erlebt und wird zudem reflektiert, warum etwas besonders gut gelungen ist, erhöht sich das Selbstwirksamkeitserleben. Diese Erfahrungen helfen bei zukünftigen Herausforderungen.
Die Schüler*innen im Fokus: „Selbstwirksamkeit“ – ein wichtiger Aspekt der Resilienzförderung
Das eigene Handeln nicht nur als sinnvoll, sondern auch als wirksam zu erleben, ist eine wichtige Erfahrung für Kinder und Jugendliche in ihrem persönlichen Entwicklungsprozess. Sich als selbstwirksam zu erleben, fördert das grundlegende Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Ressourcen und die Überzeugung, ein bestimmtes Ziel trotz Hindernissen erreichen zu können (Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse: 2018). Bezogen auf das Miteinander, beispielsweise innerhalb einer Klasse, kann das Selbstwirksamkeitserleben dazu beitragen, dass der Zusammenhalt in der Gruppe gestärkt wird und die Überzeugung wächst, auch größere Herausforderungen gemeinsam zu meistern (Schmitz/Schwarzer 2002). Eine Vorrausetzung für Selbstwirksamkeitserfahrungen ist allerdings, dass Kinder Gelegenheiten bekommen, sich mit ihren Ideen, Erfahrungen, Bedürfnissen und Wünschen aktiv in Gestaltungs- und Entscheidungsprozesse einbringen zu können. Die rechtlichen Grundlagen dafür bieten neben dem Kinder- und Jugendhilfegesetz auch viele Landesschulgesetze, in denen die Partizipation von Schüler*innen fest verankert ist, wie beispielsweise die Organisation, Zusammensetzung und Rechte der Schüler*innenvertretung im niedersächsischen Schulgesetz (§72ff.).
Der Begriff „Partizipation“ wird häufig im gesellschaftspolitischen Kontext im Sinne von Teilhabe an Macht verwendet. Gemeint ist damit die Einflussnahme auf das Geschehen innerhalb demokratischer Strukturen durch verschiedene Formen politischer Mitsprache. Im pädagogischen Kontext ist in der Regel „soziale Partizipation“ gemeint. Das ist nach Rossteutscher (2009) die Mitwirkung von Individuen bzw. Gruppen an Entscheidungen, die das eigene Leben und das der Gemeinschaft betreffen und über private Interessen hinausgehen. Praktisch werden Wünsche und Interessen artikuliert bzw. in eine Gruppe eingebracht und auf Grundlage kluger Argumentationen um Zustimmung und Unterstützung geworben bzw. Kompromisse ausgehandelt. Doch nicht alles, was als Partizipationsprozess benannt wird, ist tatsächlich partizipativ. Um die verschiedenen Abstufungen unterscheiden zu können, ist es hilfreich, auf die Partizipationsstufen nach Wright/Block/Unger zu schauen:
Stufe 1: Instrumentalisierung | Die Belange der Zielgruppe spielen keine Rolle. Entscheidungen werden außerhalb der Zielgruppe getroffen und die Interessen [der] Entscheidungsträger*innen stehen im Mittelpunkt. | Nicht-Partizipation |
Stufe 2: Anweisung |
Entscheidungsträger*innen nehmen die Lage der Zielgruppe wahr. Allerdings werden die Probleme der Zielgruppe ausschließlich auf Grundlage der (fachlichen) Meinung der Entscheidungsträger*innen definiert und Maßnahmen zu ihrer Beseitigung oder Linderung festgelegt. Die Einschätzung der Zielgruppe zu ihrer eigenen Situation wird nicht berücksichtigt. Die Kommunikation seitens der Entscheidungsträger*innen ist direktiv. | |
Stufe 3: Information |
Die Entscheidungsträger*innen teilen der Zielgruppe mit, welche Probleme die Gruppe hat und welche Hilfe sie benötigt. Das Vorgehen der Entscheidungsträger*innen wird erklärt und begründet. | Vorstufen der Partizipation |
Stufe 4:
Anhörung |
Die Entscheidungsträger*innen interessieren sich für die Sichtweise der Zielgruppe. Die Mitglieder der Zielgruppe werden angehört, haben jedoch keine Kontrolle darüber, ob ihre Sichtweise Beachtung findet. | |
Stufe 5:
Einbeziehung |
Die Zielgruppe nimmt formal an Entscheidungsprozessen teil, indem ausgewählte Personen aus der Zielgruppe in Entscheidungsgremien sitzen. Die Teilnahme der Zielgruppe hat keinen verbindlichen Einfluss auf den Entscheidungsprozess. | |
Stufe 6: Mitbestimmung |
Die Entscheidungsträger*innen halten Rücksprache mit Vertreter*innen der Zielgruppe. Darüber hinaus kann es auch zu Verhandlungen zwischen der Zielgruppenvertretung und den Entscheidungsträger*innen zu wichtigen Fragen kommen. Die Zielgruppenmitglieder haben ein Mitspracherecht, jedoch keine alleinigen Entscheidungsbefugnisse. | Partizipation |
Stufe 7: teilweise Übertragung von Entscheidungs-kompetenz |
Ein Beteiligungsrecht stellt sicher, dass die Zielgruppe in Entscheidungen einbezogen wird. Die Entscheidungskompetenz der Zielgruppe ist jedoch auf bestimmte Aspekte des Entscheidungsprozesses oder der Projektarbeit beschränkt. Obwohl der Anstoß für Interventionen von anderen außerhalb der Zielgruppe kommt, werden bestimmte Entscheidungen ausschließlich von der Zielgruppe getroffen. | |
Stufe 8: Entscheidungs-macht
|
Eine Maßnahme bzw. ein Projekt wird von Mitgliedern der Zielgruppe selbst initiiert und durchgeführt. Häufig entsteht die Eigeninitiative aus eigener Betroffenheit. Die Entscheidungen trifft die Zielgruppe eigenständig und eigenverantwortlich. Die Maßnahme oder das Projekt wird jedoch von anderen außerhalb der Zielgruppe geleitet, begleitet und/oder betreut. | |
Stufe 9: Selbstständige Organisation | Die letzte Stufe des Modells geht über die Partizipation hinaus. Sie umfasst alle Formen selbstorganisierter Maßnahmen, die nicht unbedingt als Folge eines partizipativen Entwicklungsprozesses entstehen, sondern von Anfang an von Bürger*innen selbst initiiert werden können. Die Verantwortung für eine Maßnahme oder ein Projekt liegt komplett in den Händen der Zielgruppe. Alle Entscheidungsträger*innen sind Mitglieder der Zielgruppe. Alle Aspekte der Planung und Durchführung werden von Menschen aus der Zielgruppe realisiert. | Über Partizipation hinaus gehend |
(Wright, 2020)
In der pädagogischen Praxis finden sich oft Angebote zur Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen, welche zwar als Beteiligungsformate deklariert werden, aber noch keine echte Partizipation darstellen, sondern sich im Bereich der Vorstufen von Partizipation bewegen. Kinder und Jugendliche ernsthaft zu beteiligen heißt, Entscheidungsbefugnis und Verantwortung zu teilen bzw. abzugeben.
Um zu reflektieren, an welchen Punkten der Schulalltag partizipativer gestaltet werden kann, bieten sich folgende Fragen an:
⦿ Information
Wie transparent sind wir bei Entscheidungen gegenüber Schüler*innen?
Wie befähigen wir Schüler*innen, sich umfassend, z. B. über ihre Beteiligungsmöglichkeiten, zu informieren?
⦿ Anhörung
Wann und wie erfragen wir die Meinungen, Interessen oder Wünsche unserer Schüler*innen?
Wie motivieren wir Schüler*innen, sich kritisch zu äußern?
⦿ Einbeziehung
Wann suchen wir aktiv den Dialog mit Schüler*innen und nehmen zu konkreten Themen/Fragen die Schüler*innenperspektive ernst?
Sind die Methoden oder Formate, die wir dafür nutzen, geeignet, um beispielsweise Kritik zu äußern, Feedback zu geben, Veränderungsvorschläge einzubringen?
⦿ Mitbestimmung
Wie können Schüler*innen den Schulalltag bzw. Veränderungsprozesse an unserer Schule aktiv mitgestalten?
Kennen die Schüler*innen ihre Mitbestimmungsmöglichkeiten?
⦿ Entscheidungskompetenz
Wann bzw. was dürfen Schüler*innen teilweise oder vollständig an unserer Schule entscheiden?
Wo könnten wir Entscheidungsgewalt und Verantwortung teilen bzw. abgeben?
Resümee
Kindern und Jugendlichen etwas zutrauen, ihnen zeigen, dass ihre Ideen und Meinungen wichtig sind und sie spüren lassen, dass sie wertvoll sind, steigert das Selbstwertgefühl der jungen Menschen.
→ Sie erfahren: Ich bin etwas wert.
Aufgabe der Erwachsenen ist es, Kindern und Jugendlichen Räume zu eröffnen und Gelegenheiten zu geben, um sich auszuprobieren und eigenständig handeln zu können. Dazu gehört auch, Entscheidungen treffen zu können und die Auswirkungen dieser zu erleben. Dabei auch Fehler machen zu dürfen, ist wichtig für den Lernprozess. Das Selbstwirksamkeitserleben der Kinder und Jugendlichen wird gestärkt.
→ Sie merken: Mein Handeln ist wirksam und hat Konsequenzen.
Damit die Kinder und Jugendlichen sich das zutrauen, brauchen sie die Bestärkung der Erwachsenen. Im Ganztag können Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte einen wichtigen Beitrag zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen leisten, indem sie sie ermutigen, ihre Meinungen und Bedürfnisse zu äußern, ihren Interessen zu folgen sowie eigene Ideen umzusetzen und Neues auszuprobieren. Dafür ist es wichtig, ihnen bewusst zu machen, wo ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten liegen und sie dabei zu unterstützen, ihre Stärken auszubauen. Das steigert das Selbstvertrauen.
→ Sie erkennen: Ich bin stark – ich traue mir zu, mich zu äußern und zu handeln.
Mit dem Bewusstsein von Einzigartigkeit, Zugehörigkeit und Wirksamkeit bzw. Stärke wird Handlungsfähigkeit erzeugt und damit die Widerstandskraft gegenüber krisenhaften Situationen gestärkt.
Krisen bieten trotz ihrer Herausforderungen immer auch Wachstumschancen. Werden belastende Situationen positiv bewältigt, gehen die Menschen gestärkt daraus hervor – sie entwickeln Resilienz. Kinder und Jugendliche, aber auch Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte können durch gezielte Maßnahmen die Entwicklung von Resilienz fördern. Damit Herausforderungen, gerade in Krisenzeiten, gut gemeistert werden können, ist ein solides Fundament aus gemeinsamen Werten, einer Wir-Kultur und sozialen Kompetenzen hilfreich. Ein achtsamer Umgang miteinander, der Abgleich von Selbst- und Fremdwahrnehmung in Bezug zu Gefühlen und Bedürfnissen, Strategien zur Stressbewältigung und Selbststeuerung befördern ein positives, Resilienz förderndes Schulklima. Eine besondere Bedeutung kommt dem Erleben von Selbstwirksamkeit zu. Dieses wird erzeugt durch das Spüren des eigenen Wertes, persönlicher Handlungskompetenz und Selbstvertrauen. Auf dieser Basis fällt es sowohl jungen Menschen als auch Erwachsenen leichter, für komplexe Problemsituationen kreative Lösungen zu entwickeln und Herausforderungen zu bewältigen.
Literatur
Bachmann, Thomas/Möller, Heidi. (2021): Psychologische Sicherheit als Voraussetzung für Innovativität und Flexibilität in Teams und Organisationen. Wiesbaden.
Bundesgesundheitsministerium (2023): Betriebliche Gesundheitsförderung – Was steckt dahinter?
Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (Hrsg.) (2022): Resilienz im Blick. Mit dem Teamkalender gemeinsam durchs Jahr. Berlin.
Fröhlich-Gildhoff, Klaus/Rönnau-Böse, Maike (2018): Was ist Resilienz und wie kann sie gefördert werden? In: Televizion, S. 4. https://izi.br.de/deutsch/publikation/televizion/ 31_2018_1/Froehlich-Gildhoff_Roennau-Boese-Resilienz.pdf.
Heller, Jutta (2015): Die sieben Schlüssel der Resilienz.
Huber, Monika. (2019): Resilienz im Team. Ideen und Anwendungskonzepte für Teamentwicklung (essentials). Wiesbaden.
IFP – Staatsinstitut für Frühpädagogik Bayern (Hrsg.) (2021): Stress lass nach! Wie Sie herausfordernde Situationen auch im neuen KitaJahr professionell meistern. Eine Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung.
Nürnberg, Carola (2018): Kita-Alltag zwischen Belastung und Erfüllung. Ergebnisse einer explorativen Interviewstudie mit Gruppenkräften und Kita-Leitungen. Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte, WiFF-Studien, Band 31. München.
Roth, Florian (2021): Bouncing forward – Wie Erkenntnisse aus der Resilienzforschung in der Corona-Krise helfen können. Online: https://www.gesundheitliche-chancengleichheit.de/fileadmin/user_upload/daten/ Kooperationsverbund/Kooperationstreffen/19._Kooperationstreffen_Medien/Florian_Roth_ Resilienz_Gesundheitliche_Chancengleichheit_Nov2021.pdf.
SMWAV – Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (Hrsg.) (2019): Gesund arbeiten in der Kita – Handbuch für Kita-Träger und Kita-Leitungen zum Arbeitsschutz und zur betrieblichen Gesundheitsförderung. Dresden.
Stegmann, Gabriele (2020): Das haut uns nicht um! Teamresilienz – was Teams stark und widerstandfähig macht. In: Durchblick, 2020, S. 26.
Wright, Michael (2020): Partizipation: Mitentscheidung der Bürgerinnen und Bürger. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden.
Zukunftsinstitut (Hrsg.) (2021): Zukunftskraft Resilienz – Gewappnet für die Zeit der Krisen, Frankfurt am Main.
Weiterführende Informationen und Materialien
„Resilienz im Blick – Reflexionskarten für die pädagogische Praxis“
Dieses Kartenset wurde im Rahmen des Programms „Resilienz im Ganztag“ der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung erarbeitet. Es unterstützt pädagogische Fachkräfte dabei, das eigene Handeln hinsichtlich einer Förderung der Resilienzentwicklung anhand von Praxisbeispielen zu reflektieren.
Online: www.dkjs.de/resilienz-im-ganztag/
„Resilienz im Blick – Arbeitsmaterial für den pädagogischen Alltag“
Diese Broschüre wurde im Rahmen des Programms „Resilienz im Ganztag“ der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung erarbeitet.
Ein Analyse-Instrument unterstützt pädagogische Fachkräfte dabei, anhand von Kriterien den Ist-Stand Resilienz fördernder Angebote zu beschreiben, Lücken zu identifizieren und notwendige Vertiefungsthemen herauszuarbeiten. Inspirierende Praxisbeispiele bieten Impulse für Angebotsentwicklung.
Online: www.dkjs.de/resilienz-im-ganztag/
Bildnachweis: © Julian Stratenschulte / Titel: „Ein Mann läuft im Sonnenschein in einem Skatepark“/ dpa picture alliance / Alamy Stock Foto