Die jüngsten Terroranschläge der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 haben auch unter Jugendlichen große Emotionen ausgelöst. Die Terroranschläge stehen für den größten Massenmord an Juden und Jüdinnen seit dem Holocaust. Ihre Bedeutung für Israel und Juden und Jüdinnen weltweit wird in den Debatten mit den Anschlägen vom 11. September in den USA verglichen. Verstärkt werden diese Emotionen durch die massiven Luftangriffe der israelischen Armee im Gaza-Streifen. Schon jetzt sind die Folgen der Militärschläge und der Abriegelung für die palästinensische Bevölkerung katastrophal. Die Zahlen der zivilen Opfer steigen rasant, tausende Wohnungen wurden zerstört, mehrere Hunderttausend Personen sind auf der Flucht.
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Die folgenden Anregungen sollen es erleichtern, die Ereignisse im Unterricht zu thematisieren und eventuell bestehenden Spannungen entgegenzuwirken. Dabei geht es hier ausdrücklich nicht um die Vermittlung von detailliertem Wissen oder darum, den Konflikt selbst zu lösen, sondern um eine kurzfristige Intervention angesichts der überkochenden Emotionen. Ziel ist es, über die Emotionen, unterschiedlichen Erfahrungen und Blickwinkel zu sprechen und eine gemeinsame Handlungsperspektive für ein solidarisches Miteinander zu entwickeln.
In unserer Arbeitshilfe „Über Israel und Palästina sprechen. Der Nahostkonflikt in der Bildungsarbeit“ finden Sie Hinweise auf weiterführende Materialien zur inhaltlichen Vertiefung des Themas, aber auch zum Umgang mit antisemitischen und rassistischen Äußerungen (hier zum Download).
Unterrichtseinheit „Solidarisch gegen Terror“
Lernziele
- Die SuS erhalten einen Raum, um Emotionen im Zusammenhang mit den aktuellen Geschehnissen in Israel und Palästina ausdrücken und reflektieren zu können
- Die SuS setzen sich mit unterschiedlichen Stellungnahmen zu den aktuellen Terroranschlägen in Israel sowie zu antisemitischen und rassistischen Anschlägen in Deutschland auseinander und reflektieren eine menschenrechtlich begründete Ablehnung von Gewalt und Terror
- Die SuS setzen sich mit einer Stellungnahme auseinander, in der sich unterschiedliche Stimmen gemeinsam mit allen Opfern von terroristischer Gewalt solidarisieren
Ablauf
Einstieg
Gesprächseinstieg: Was waren Eure ersten Gedanken, als Ihr von den Ereignissen gehört habt?
Arbeitsphase 1
Die Lehrkraft verteilt Material 1, für dessen Lektüre die SuS 5 Minuten Zeit bekommen.
Material 1: Presseerklärung der Türkischen Gemeinde Deutschland vom 9.10.2023
„Am Samstagmorgen startete die Hamas von Gaza aus überraschend Raketenangriffe auf Israel. Gleichzeitig drangen bewaffnete Terroristen über Land nach Israel vor. Offizielle Stellen gehen von mindestens 700 getöteten Zivilisten aus. Weitere 2.000 wurden verletzt. Die Hamas hat zudem mehr als 100 Menschen entführt. Die Türkische Gemeinde in Deutschland verurteilt diese terroristischen Taten auf das Schärfste und bekundet seine Solidarität mit allen Jüdinnen und Juden. (…)
Aslıhan Yeşilkaya-Yurtbay, Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, betont: „Wir solidarisieren uns vollumfänglich mit den jüdischen Gemeinden in Deutschland, die leider noch mehr tätliche Übergriffe fürchten müssen. Wenn nötig, stehen wir unseren jüdischen Geschwistern schützend zur Seite. Antisemitismus ist nicht nur nach wie vor aktuell. Er beinhaltet auch immer den Wunsch nach tödlicher Gewalt gegen Jüdinnen und Juden. Dies dürfen wir nicht hinnehmen.“
Arbeitsaufträge im Plenumsgespräch:
- Was ist euch beim Lesen der Stellungnahme durch den Kopf gegangen?
- Welche Botschaft wird vermittelt?
- An wen richtet sich diese Botschaft?
- Was möchte die TGD mit dieser Botschaft erreichen?
Arbeitsphase 2
Die Klasse wird in 2er-Gruppen aufgeteilt, die jeweils entweder Material 2 oder Material 3 lesen und die Arbeitsaufträge im Zweiergespräch besprechen (insgesamt 10 Minuten).
Material 2: Zentralrat der Juden in Deutschland solidarisiert sich mit den Opfern des rassistischen Anschlages in Hanau am 19.2.2020
„Ein Jahr nach dem rassistischen Anschlag von Hanau gehen unsere Gedanken zu den Opfern und ihren Familien sowie zu den Menschen, die bei dem Anschlag verletzt und traumatisiert wurden. Am 19. Februar 2020 erschoss ein Hanauer neun Menschen in und vor zwei Bars, anschließend seine Mutter und sich selbst.
Anlässlich des Jahrestags des Anschlags erklärt der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster: ‚Als ich im vergangenen Jahr einen Tag nach dem Anschlag in Hanau war, war die Trauer in der ganzen Stadt zu spüren. Die Angehörigen der Opfer müssen seit diesem Tag mit dem schrecklichen Verlust leben. Viele Betroffene leiden noch heute unter den Spätfolgen des Anschlags. Ihnen gilt unsere Solidarität und unser Mitgefühl. Die Hinterbliebenen brauchen konkrete und nachhaltige Unterstützung.‘“
Quelle: https://www.zentralratderjuden.de/aktuelle-meldung/zum-jahrestag-des-anschlags-von-hanau/
Arbeitsauftrag:
- Wisst Ihr, was beim Anschlag in Hanau passiert ist? Recherchiert dazu eventuell im Internet.
- Was ist die Botschaft, die der Zentralrat der Juden zum Ausdruck bringen will?
Material 3: Solidarität muslimischer Organisationen mit Jüd*innen anlässlich des Jahrestages des antisemitischen Anschlages in Halle
„Islamische Religionsgemeinschaften in Deutschland haben den Anschlag eines mutmaßlichen Rechtsextremisten auf die Synagoge in Halle ‚aufs Schärfste‘ verurteilt. Die abscheuliche Tat zeige, dass ‚der Terror keinen Glauben und keine Nationalität hat‘, erklärte der Koordinationsrat der Muslime (KRM) am Donnerstag in Köln. Der türkische Islamverband Ditib, der Mitglied im Koordinationsrat ist, bezeichnete die Tat als einen ‚Angriff auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und auf unser gemeinsames, friedliches Zusammenleben‘.“
Quelle: https://www.migazin.de/2019/10/11/allianz-hass-muslime-anschlag-synagoge/
Arbeitsauftrag:
- Wisst ihr, was beim Anschlag in Halle passiert ist? Recherchiert dazu eventuell im Internet.
- Was ist die Botschaft, die die islamischen Organisationen zum Ausdruck bringen wollen?
Kurze Auswertung im Plenumsgespräch:
- Was ist euch aufgefallen?
- Was können die Stellungnahmen für die aktuelle Situation bedeuten?
Arbeitsphase 3
In der Vergangenheit gab es ähnliche Eskalationen im Nahen Osten, die auch in Deutschland nachwirkten und zu Spannungen beispielsweise zwischen Muslim*innen und Jüd*innen führten. Um solchen Spannungen entgegenzuwirken, haben sich im Mai 2021 während des damaligen Krieges zwischen Israel und der Hamas verschiedene jüdische und muslimische Organisationen in Deutschland zusammengetan, um eine gemeinsame Botschaft stark zu machen.
Material 4: Offener Brief: „Wir lassen uns nicht trennen“ (20. Mai 2021)
„Wir als jüdische, muslimische, jüdisch-muslimische Organisationen, Initiativen und Bündnisse, sowie Einrichtungen, die Räume für jüdisch-muslimische Begegnung geschaffen haben, schreiben diesen Offenen Brief, weil wir nicht hinnehmen, dass der Konflikt im Nahen Osten unser Zusammenleben und unsere politische und kulturelle Arbeit in Deutschland zerstört. Wir haben in den letzten Jahren, unter schwierigen Bedingungen und in komplexen Prozessen, vielfältige Allianzen, Bündnisse und Netzwerke zwischen jüdischen und muslimischen Organisationen, Communities und Individuen aufgebaut, die wir gegen eine neue Welle des Hasses und der Propaganda verteidigen wollen. Denn, wann immer der Nahost-Konflikt hier ausgetragen wird, leiden auch wir darunter! Deswegen wollen wir zwei Dinge festhalten:
Wir verurteilen Antisemitismus und anti-muslimischen Rassismus (…)
Es muss Raum für unterschiedliche Haltungen zum Nahost-Konflikt geben. (…)“
Fragen im Plenumsgespräch:
- Worin sehen die Unterzeichner*innen ihre Gemeinsamkeiten?
- Wogegen wenden sie sich?
- Wofür treten sie ein?
Alternativ lässt sich eine gemeinsame Erklärung von Lokalpolitik und Vereinen in Neukölln zu den aktuellen Ereignissen verwenden: https://www.berlin.de/ba-neukoelln/aktuelles/gemeinsame-erklaerung-1374615.php
Weiterführende Hinweise
Mehmet Can (2022): Der Nahostkonflikt im Unterricht: Mehmet Can zu Gast beim ufuq.de Couch Talk, www.ufuq.de
Simone Raphael (2023): „Nahostkonflikt und Ambiguitätstoleranz. Terror benennen, Menschlichkeit beachten“, Belltower-News, 11. Oktober 2023
ufuq.de (2023): Über Israel und Palästina sprechen. Der Nahostkonflikt in der Bildungsarbeit
„Medienerziehung: Krieg im Nahen Osten“, Flimmo, 12. Oktober 2023
„Medienerziehung: Kriegsbilder und Hetze: So helfen Sie Kindern und Jugendlichen bei der Verarbeitung“, klicksafe.de, 10. Oktober 2023
In unserer Online-Bibliothek finden Sie zahlreiche weitere Materialien für die Bildungsarbeit zum Nahostkonflikt: