Gespräch mit Lawrence Oduro-Sarpong: Kolonialität als Hindernis für eine gerechte Welt
2. März 2023 | Demokratie und Partizipation, Geschichte, Biografien und Erinnerung

Symbolbild; Bild: Einsamer Schütze/wikimedia commons

Trotz der Black Lives Matter-Bewegung oder anhaltenden Diskussionen um Straßenumbenennungen findet eine kritische und umfassende Auseinandersetzung mit Kolonialismus in hiesigen Klassenzimmern viel zu selten statt. Schüler*innen wird im Unterricht meist ein eurozentrischer Blick auf Geschichte und die Welt vermittelt, demzufolge Afrika und Asien als vermeintlich geschichtslose Kontinente erscheinen. In einem Webtalk haben ufuq.de-Mitarbeiter*innen Jenny Omar und Alioune Niang mit Diversity-Trainer, Mediator und Coach Lawrence Oduro-Sarpong über die Kontinuitäten des Kolonialismus gesprochen. Ergänzt wird der Beitrag mit einer umfangreichen Materialsammlung für die pädagogische Arbeit.

Koloniale Praktiken, die wir als Kontinuitäten verstehen, wirken bis heute nach und betreffen auch die Lebenswelten von Schüler*innen. Sie basieren auf ungleichen Machtverhältnissen zwischen Globalem Norden und Globalem Süden und machen sich auch im Alltag bemerkbar: z.B. in Straßennamen, die koloniale Verbrecher*innen ehren oder in strukturellem Rassismus, den viele Schüler*innen erleben. Das Wissen über das koloniale Erbe Deutschlands und Europas ist also wichtig, um die aktuellen Debatten um Rassismus verstehen zu können.

Kolonialismus und seine Auswirkungen auf das heutige Leben sind somit ein Thema, das uns auch in der Fachstelle beschäftigt und mit dem wir uns auseinandersetzen müssen.

Der Berliner Verein Glokal e.V. schreibt in der Broschüre „Connecting the dots“ (connecting-the-dots.org) dazu: Kolonialismus kann „nicht auf die Dimension der territorialen Expansion und der militärischen und politischen Herrschaft reduziert werden. Auf der kulturellen Ebene und der Wissensproduktion ist er ebenso wirkmächtig, wenn nicht auf lange Sicht gesehen sogar wirkmächtiger. Valentine Y. Mudimbe nennt neben der physischen Beherrschung von Raum die Besetzung und Formung des Bewusstseins der Kolonisierten und Kolonisierenden (auch Kolonisierung des Geistes genannt), die Unterordnung der (ehemaligen) Kolonien sowie die Einordnung in europäische Wissenssysteme, die Abkopplung der kolonisierten Gesellschaften von ihrer eigenen Geschichte und Geschichtsschreibung sowie die gewaltsame Integration in das westliche ökonomische System. Kolonialismus ist also ein Zusammenspiel zwischen physischer Herrschaft und Gewalt, Kontrolle über Ressourcen, Raum und Materialität sowie hegemonialen europäischen Diskursen, die auf Bewusstsein der Kolonisierenden und Kolonisierten wirken.“ (Glokal e.V. 2013, S. 12).

Während eines Webtalks haben wir Lawrence Oduro-Sarpong gebeten, uns die Grundlagen des Kolonialismus zu erläutern.

Was hat Kolonialismus eigentlich mit Rassismus bzw. antimuslimischem Rassismus zu tun? Und wie prägt Kolonialismus noch immer unser heutiges Denken und den westlichen Blick auf den Globalen Süden? Oduro-Sarpong beschreibt, dass die gewaltsamen Eroberungen der Territorien und die Ausbeutungen der Menschen vor Ort vor dem Hintergrund des aufkommenden Humanismus einer Rechtfertigung der europäischen Staaten bedurften. Die Lehre des Rassismus eignete sich scheinbar perfekt dafür und prägte von nun an die europäischen Gesellschaften und die Sozialisation von Generationen. In den kolonialisierten Gesellschaften wurden Wissenssysteme, Religionen, Kulturen und auch Wirtschaftssysteme zerstört, was viele afrikanische Staaten bis heute prägt.

Im Audio-Player können Sie hören, wie Lawrence Oduro-Sarpong Kolonialismus und seine Kontinuitäten beschreibt.


 

Zur weiterführenden Beschäftigung mit Kolonialismus und zur Bearbeitung des Themas mit Jugendlichen empfehlen wir diese (nicht abgeschlossene) Auswahl an Materialien:

Kolonialismus: Definitionen und pädagogische Angebote

Aus Politik und Zeitgeschichte (2012): Kolonialismus und Postkolonialismus: Schlüsselbegriffe der aktuellen Debatte. Online unter: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/146971/kolonialismus-und-postkolonialismus-schluesselbegriffe-der-aktuellen-debatte/

Was du über Kolonialismus wissen solltest. Die Sozialwissenschaftlerin Imeh Ituen erklärt die Grundlagen der Kolonialzeit, wie damals die verschärfte Ausbeutung von Ressourcen auf dem afrikanischen, amerikanischen und asiatischen Kontinent begann und wie der damals ausgebeutete Reichtum bis heute eine Rolle spielt: Was du über Kolonialismus wissen solltest – YouTube

KZ-Gedenkstätte Neuengamme in Zusammenarbeit mit der Universität Augsburg und der Universität Hamburg: Verflechtungen – Koloniales und rassistisches Denken und Handeln im Nationalsozialismus, Neuengammer Studienhefte, Band 5. Bestellbar im Online-Shop: https://www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de/service/shop/produkte/

Der Schulnewsletter des Bundeszentrale für Politische Bildung Februar 2021 nimmt Kolonialismus und seine Folgen in den Blick: Schulnewsletter Februar 2021: Kolonialismus und seine Folgen | bpb.de

Kostenloser kritischer Audioguide zur Kolonialgeschichte im Deutschen Historischen Museum Berlin: Kolonialgeschichte im DHM – Ein kritischer Audioguide – Kolonialismus im Kasten?

Der Verein glokal bietet verschiedene (pädagogische) Angebote und Materialien zu den Themen Postkolonialismus und machtkritischem Globalen Lernen: https://www.glokal.org/angebote/

Bildungsmaterialien der rassismuskritischen Bildungswerkstatt „fernsicht“ für einen Projekttag zum Thema Kolonialismus: https://www.fernsicht-bildung.org/themen/post-kolonialismus/projekttag

Bildungsmaterial „Koloniale Kontinuitäten“ für die Klassenstufen 8/9: BM_Kolonial_I_EZ_0_.pdf (schulen-globales-lernen.de)

Das Themenheft Kolonialismus von „Schule ohne Rassismus“ bietet einen Einstieg ins Themahttps://www.schule-ohne-rassismus.org/produkt/themenheft-kolonialismus/

Das Heft WOCHENSCHAU „Politik postkolonial“ unterstützt Lerngruppen darin, hegemoniales Wissen aus post- und dekolonialer Sicht hinterfragen zu lernen: Politik postkolonial | digitaler Klassensatz (ab 8 Expl.): https://www.wochenschau-online.de/Politik-postkolonial/2521-Print-2521-PDF-PDF

Die Internetseite zeigt afrikanische Perspektiven zu kolonialem Widerstand:  https://afrique-europe-interact.net/328-0-Neo-Kolonialismus.html

 

Panafrikanische international agierende Nichtregierungsorganisation

u.a. mit Sitz in Berlin bietet auch Workshops und Fortbildungen an: https://www.africavenir.org/de/projekte/projekte-kamerun/anti-kolonialer-widerstand-in-kamerun.html

Auswahl einer Reihe von Videos im Rahmen der Ausstellung »Deutscher Kolonialismus« des Deutschen Historischen Museums:

Theodor Wonja Michael, einer der wenigen afrodeutschen Zeitzeugen des Nationalsozialismus spricht im Rahmen der Ausstellung „Deutscher Kolonialismus. Fragmente seiner Geschichte und Gegenwart“ über den Tropenhelm als ein Symbol des Kolonialismus in Kamerun: https://www.youtube.com/watch?v=PjUDIBYDIkc

Abenaa Adomako, Urenkelin von Mandenga Diek, spricht zum Ausstellungsobjekt „Kakaodose“ der Ausstellung „Deutscher Kolonialismus. Fragmente seiner Geschichte und Gegenwart“ über europäische Aneignung von Genussmitteln, wie z. B. Tee oder Kakao: https://www.youtube.com/watch?v=0PhODDPuUyA

Stimmen von Aktivist*innen zu Straßenumbenennungen in Berlin:

YouTube

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In der Arte-Reihe „Generation Afrika“ wird Migration aus afrikanischer Perspektive erzählt:
Dokumentarfilme über den europäischen Kolonialismus:

Phoenix: Schatten über dem Kongo

Arte Dokumentarfilm: „Die Wilden“ in den Menschenzoos.

Arte: Wieviel Schulden erträgt Afrika?

ZDF Info: Geschichte des Rassismus: Das Geschäft der Sklaverei.

Arte: Re: Das Erbe des Kolonialismus

Kolonialismus: Aufstand/ Widerstand

Arte Dokumentation: Haiti 1791 – Der Sklavenaufstand von Haiti

Podcast „Rosalux History“, Folge 17: Das Ende des Kolonialismus: https://www.youtube.com/watch?v=_BriDSgH0p0

Video der Veranstaltung: „Zwischen Unterdrückung und Widerstand. Debatte über Kirche, Kolonialismus und Rassismus“: https://www.youtube.com/watch?v=8BnKJciZNJE

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