Das Ausmaß der Erdbeben in der Türkei und in Syrien und die Folgen für die Bevölkerung dort sind katastrophal. Das empfinden derzeit viele, die Nachrichten und Social Media-Kanäle verfolgen und die erschütternden Bilder sehen. In Deutschland gilt das insbesondere auch für die vielen Menschen türkischer, kurdischer und syrischer Herkunft.
Viele von ihnen sind aus den betroffenen Regionen zugewandert oder geflüchtet. Jugendliche haben in der Türkei und in Syrien Freund*innen und Familien, mit denen sie fühlen und leiden, hoffen und bangen. Wie kann den damit verbundenen Erschütterungen auch in der Schule Raum gegeben werden?
Empathie zeigen: Wie geht es euch?
In erster Linie geht es jetzt um die Jugendlichen und ihre akuten Bedürfnisse. Vielleicht genügt es bereits, mit ein paar Worten Betroffenheit und Mitgefühl zum Ausdruck zu bringen und zu signalisieren, dass hier und jetzt Raum und Zeit ist, um über das Geschehen und über die Eindrücke und Gefühle der Jugendlichen zu sprechen: „Wie geht es Euch, wenn ihr diese Bilder seht?“
Verschiedene Formen des Gesprächs ermöglichen
Für Jugendliche kann es entlastend sein, wenn Räume geschaffen werden, in denen sie über das Geschehen und ihre Gefühle sprechen können. So befreien sie sich aus ihrer Rolle als bloße Konsument*innen belastender Nachrichten und werden selbstwirksam. Die Schüler*innen sollten allerdings selbst darüber entscheiden, ob sie ein Gespräch mit der ganzen Klasse führen, in Kleingruppen sprechen oder mit der Klassenleitung oder Schulsozialarbeiter*in ein vertrauliches Gespräch führen möchten. Nicht jede*r Schüler*in will sich zur Katastrophe äußern. Schließlich hat jeder Mensch eigene Krisenbewältigungsstrategien. Natürlich sind auch nicht alle Jugendlichen gleichermaßen betroffen von den Ereignissen.
Unterschiedliche Emotionen und Perspektiven aushalten
Bei einem gemeinsamen Gespräch können Jugendliche sehr unterschiedliche Perspektiven zum Ausdruck bringen. Vielleicht sind Familienangehörige von Schüler*innen verschüttet worden und sie empfinden größte Sorge um ihre Angehörigen. Vielleicht vertritt ein*e Schüler*in aber auch die Position, dass es beständig und überall auf der Welt zu Katastrophen komme, bei denen Menschen sterben. Einzelne Schüler*innen mit Migrationsgeschichte könnten darauf hinweisen, dass vergleichbare Ereignisse in „ihren“ Ländern nicht im Unterricht thematisiert worden seien; oder dass es sie an eigene Kriegserlebnisse erinnere. Ob solche sehr unterschiedlichen Positionen und Erfahrungen nebeneinanderstehen können oder es einer Vermittlung und Einordnung durch die Lehrkraft bedarf, hängt von der jeweiligen Situation und dem Klima im Klassenzimmer ab.
Schüler*innen aktivieren
Einem möglicherweise überwältigenden Empfinden von Ohnmacht und Hilflosigkeit kann auch begegnet werden, wenn die Jugendlichen Möglichkeiten besprechen, wie sie – etwa über Spenden – Erdbebenopfer unterstützen und auch an der Schule selbst aktiv werden können. Die Klasse kann in den Räumen der Schule Sachspenden sammeln oder bei einer Benefizveranstaltung Spenden einwerben. Aber auch Geldspenden an international anerkannte Hilfsorganisationen sind ein möglicher Weg zu helfen und Solidarität mit den Erdbebenopfern zu zeigen.
Das Ziel aller Gesprächsangebote sollte in erster Linie sein, vor allem denjenigen Schüler*innen Raum zu geben und ihnen Mitgefühl und Aufgehobensein zu signalisieren, die in besonderer Weise betroffen sind – unabhängig davon, ob und welche Gefühle sie tatsächlich zeigen. Was wir nicht tun sollten: zur Tagesordnung übergehen, in dem Wissen oder mit der Vermutung, dass einzelne in der Gruppe mit ihren Gedanken und Gefühlen gerade ganz woanders sind.