Die Kampagne #ausnahmslos ist eine Reaktion auf die sexistischen Übergriffe der Silvesternacht und die teilweise rassistischen Debatten, die auf sie folgten. Den Initiatorinnen fordern, sowohl Sexismus als auch Rassismus in den Blick zu nehmen. „Gegen sexualisierte Gewalt und Rassismus. Immer. Überall“, heißt es in der Erklärung, die von tausenden Menschen unterzeichnet wurde. Innerhalb von wenigen Tagen erhielt die Facebook-Seite über 8.800 likes, auf Twitter hat die Seite mittlerweile 2500 Follower. Über die Kampagne und die Frage, welche Konsequenzen aus den Übergriffen und der aktuelle Debatte zu ziehen sind, haben wir mit Antje Schrupp, eine der Initiatorinnen der Kampagne, gesprochen.
Warum wurde #ausnahmslos initiiert?
Es hat uns geärgert, dass die Ereignisse in der Silvesternacht in Köln von verschiedenen rechten und rassistischen Gruppen für ihre Propaganda instrumentalisiert wurden. Die unwahrscheinlichsten Leute, die sich in der Vergangenheit häufig antifeministisch geäußert hatten, stellten sich nun plötzlich als Verfechter der Würde der Frauen dar. Gleichzeitig wurde Feministinnen vorgeworfen, dass sie sich nicht zu dem Thema äußern würden. Da hatten wir dann den Eindruck, uns zu Wort melden zu müssen.
Welche Ziele hat die Kampagne?
Vor allem wollen wir klarmachen, dass konsequente Solidarität mit den Betroffenen der Kölner Übergriffe nicht bedeutet, in rassistische Stereotype zu verfallen, und dass andersrum antirassistisches Engagement nicht bedeutet, sexualisierte Gewalt kleinzureden oder zu relativieren. Feministische Analysen des Themas, von denen es ja schon seit Jahren und Jahrzehnten jede Menge gibt, bieten Alternativen zu diesem platten Entweder-Oder.
Warum wird Sexismus immer wieder mit Muslim_innen in Verbindung gebracht?
Sexismus ist ein Problem von allen und daher auch von Muslim_innen. Aber wenn es jetzt als Problem allein oder fast ausschließlich von Muslim_innen diskutiert wird, wird die Debatte schief. Es gibt viele unterschiedliche Ausformungen von Sexismus und es hat gar keinen Sinn, in einen Wettbewerb darüber einzutreten, welche davon nun mehr oder weniger schlimm ist. Sicher ist es sinnvoll, über die soziokulturellen und weltanschaulichen Ursachen von Gewalt nachzudenken, was wir in unserem Aufruf auch ausdrücklich schreiben. Aber das muss differenziert geschehen, steile Thesen aus dem Bauch heraus und mit rassistischen Narrativen helfen da gerade nicht, im Gegenteil.
Warum ist Sexismus und sexualisierte Gewalt jetzt für die Gesamtgesellschaft interessant geworden?
Ich bin mir noch nicht sicher, ob das der Fall ist. Momentan ist es ein Hype, ob es sich auch über die nächsten Wochen hinaushält, müssen wir abwarten. Ich hoffe sehr, dass in Zukunft Menschen, die sexualisierte Gewalt erleben, wissen, dass sie das nicht hinnehmen müssen, dass sie das anzeigen können, und dass sie die Unterstützung der Gesellschaft bekommen. Und zwar eben ausnahmslos in jedem Fall, und nicht nur dann, wenn die Täter und Opfer zu bestimmten rassistischen Narrativen passen.
Welchen Beitrag können Pädagog_innen zu Gendersensibilität leisten?
Ich bin keine Pädagogin, aber als erster Schritt käme es aus meiner Sicht darauf an, sich der Bedeutung des Themas überhaupt erstmal bewusst zu werden und dann zu überlegen, was das für das konkrete eigene Tätigkeitsfeld bedeutet und was man tun könnte.
In ihrer Erklärung haben sie konkrete Ansätze formuliert, wie mit der Situation umzugehen wäre. Was folgt jetzt?
Politik ist immer ein Aushandlungsprozess. Und kurz nach „Köln“ sah es eine Weile so aus, als wäre für differenzierte Positionen, die Antirassismus und Antisexismus zusammendenken, gar kein Platz mehr im Mainstream. Der riesige Zuspruch zu unserem Aufruf – bis Donnerstag früh hatten schon über 8000 Leute unterschrieben – zeigt jedoch, dass viele genau das wollen und keine Lust auf platten Populismus haben.