Matondo & Hayat: Rap als Gesellschaftskritik
20. September 2016 | Jugendkulturen und Soziale Medien

Matondo und Hayat rappen beide schon seit Kindheitstagen. Dabei ist es ihnen wichtig, dass gesellschaftskritische Aspekte in ihren Texten nicht zu kurz kommen. Obwohl oder vielleicht gerade weil sie damit nicht den sonst im Rap üblichen Gangster-Klischees entsprechen sind sie damit sehr erfolgreich und mittlerweile Teil eines großen Plattenlabels. Warum Matondo und Hayat ihre kritische Linie wahren, haben sie ufuq.de-Mitarbeiterin Aylin Yavaş im Interview erklärt.

Warum macht ihr Musik?

Matondo: Musik ist für mich ein Mittel um Menschen, vor allem Kinder und Jugendliche zu erreichen und ihnen zu zeigen, dass Rap und Hip Hop nicht immer nur darin bestehen, der Krasseste und Schlimmste auf der Straße zu sein. Dieses Prahlen gehört zwar auch zum Rap, aber besteht eben nicht nur daraus. Rap entstand ja in der Protestbewegung der Schwarzen in den USA. Sie wollten gegen Rassismus protestieren und da sie keine andere Bühne hatten, trafen sie sich auf der Straße. Der eine hat Beatbox gemacht, der andere ist eingesprungen mit einem Rap und so haben auf soziale Missstände aufmerksam gemacht. Das ist die Botschaft von Rap und so sollte es auch bleiben.

Hayat: Ich habe immer gern Rap gehört und auch mitgerappt – Bushido, Massiv, Eko Fresh usw. Als ich 9 Jahre alt war kam Matondo in meine Klasse um seinen ehemaligen Lehrer zu besuchen. Da haben wir uns kennengelernt und zusammen einen Text geschrieben – kaputte Welt hieß der. Erst haben wir ihn beim Schulfest aufgeführt, dann auf einem Wettbewerb und es lief so gut, dass ich einfach weitergemacht habe
Heute gehört das Rappen zu meinem Alltag, wenn ich Frust, Wut, Hass, Langeweile oder auch Freude in mir trage, mache daraus einen Text. Mich bringt das wieder runter.

Matondo, warum hast du „Islam & Ich“ geschrieben?

Matondo: In Medien wird der Islam oft negativ dargestellt, manchmal grenzt das schon an Hetze. Und dann kam der Anschlag in Paris auf Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt und es gab wieder eine Welle negativer Berichterstattung über den Islam. Ich selbst bin auch gläubig, ich bin Christ – und es schmerzt, wenn ich Karikaturen über Propheten sehe. Ich kann verstehen, dass Menschen deswegen traurig sind, denn das sind Personen die wir anbeten und die eine wichtige Rolle in unserem Leben haben. Dass man so reagiert und Menschen deswegen tötet, das möchte ich nicht beschönigen. Um diesen Schmerz sichtbar zu machen und Muslim_innen zu zeigen, dass Andersgläubige nicht so über den Islam denken habe ich das Lied geschrieben.

Kann Musik ein Mittel sein um etwas in der Gesellschaft zu verändern?

Matondo: Musik ist auf jeden Fall ein Mittel, um Jugendlichen Werte zu vermitteln und ein Sprachrohr, um Menschen die Augen zu öffnen. Zum Beispiel um Jugendlichen nahezulegen, dass sie ihre Schule fertig machen sollen, statt auf der Straße Drogen zu verkaufen. Umso trauriger ist es, dass es Rapper gibt, die dieses Mittel missbrauchen und Kriminalität als etwas Gutes und besonders männliches darstellen.

Du arbeitest ja viel mit Kindern, als du angefangen hast mit Hayat zu arbeiten war er ja auch noch sehr jung. Merkst du, dass das etwas in ihnen verändert?

Matondo: Auf jeden Fall, Hayat und ich sind beide mit Gangster Rap großgeworden. Aber zum Glück hat keiner von uns die harten Texte verinnerlicht. Man kann den Kids zeigen, dass sie auf diesen Zug nicht aufspringen müssen. Gerade durch Workshops kann ich Jugendlichen zeigen, dass Rap auch anders geht und trotzdem cool ist. Das kann sie sehr weit bringen, nicht nur Rap-technisch, sondern sie verbessern ihre Rechtschreibung und ihren Ausdruck, ihr Wortschatz erweitert sich, sie machen sich Gedanken… Seinen eigenen Track aufzunehmen, zu hören und vorzurappen gibt einem sehr viel Anerkennung.

In euren Liedern geht es ja oft um gesellschaftliche und politische Themen Ihr hättet ja genau so gut auch über Frauen und protzige Autos rappen können. Wie kam es zu eurer Entwicklung?

Hayat: Weißt du wie alt ich bin?

Aylin Yavaş: Nein. 20?

Hayat: Ich bin 17 Jahre alt. Würdest du es ernstnehmen, wenn ein 17-Jähriger über Frauen und Geld rappt? (lacht)
Aber das ist natürlich nicht der einzige Grund. Das ist nichts Neues über diese Themen zu rappen. Was nützt das und wem nützt das? Mein erster Track war „kaputte Welt“ – der Titel sagt ja schon aus, dass das auch kritisches Lied war – und das hat mir gut gefallen, einfach mal alles rauszulassen. Das bringt mir und anderen Menschen auch am meisten.

Matondo: Ich habe viel Rassismus erlebt, eigentlich könnte ich ein Buch darüber schreiben. Ich sitze in der U-Bahn und die Kontrolleure kommen als erstes zu mir. Genau so die Routine-Ausweiskontrollen auf der Straße, ich kann gar nicht mehr zählen wie oft ich die schon erlebt habe. Oder bei Fußballspielen: Eltern rufen mir das N-Wort hinterher usw. Das hat mich schon als Kind verletzt. Im Endeffekt hat mich das aber stärker gemacht, auch durch die Musik, weil das ein Ventil ist mit dem ich die Gefühle rauslassen kann. Deswegen mache ich das immer noch so, auch wenn die Beats natürlich langsam härter werden. Aber ich werde Rap immer so machen, dass meine Eltern ihn hören können und stolz auf mich sind, dass ich damit meine Leute zu erreichen kann, die afrikanische Community, aber auch andere Gruppen die Rassismus erleben, für sie möchten wir ein Sprachrohr sein und ihnen bei der Bearbeitung ihrer Erfahrungen helfen.

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