Mit diesem Glossar möchten wir zentrale Begriffe unserer Arbeit näher erläutern und durch Beispiele verständlich machen. Das Glossar erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, im Gegenteil: wir sehen es als etwas sich kontinuierlich Weiterentwickelndes, Prozesshaftes. Die verschiedenen Begriffe unterliegen aktuellen Diskursen, es gibt verschiedene Perspektiven, die Eingang finden können. Auch deshalb soll dieses Glossar fortlaufend erweitert werden. Ihnen fehlt ein Begriff oder Sie haben ein gutes Beispiel? Schreiben Sie uns gerne eine Nachricht mit dem Betreff „Glossar“ an info@ufuq.de.

A

ABLEISMUS

Die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung wird häufig auch Ableismus genannt und ist eine Form der Diskriminierung aufgrund von körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen und richtet sich gegen Menschen mit sichtbarer und nicht sichtbarer Behinderung. Ihren Ursprung hat diese Diskriminierungsform in der gesellschaftlichen Stigmatisierung von Menschen mit Behinderung sowie in der mangelnden Bereitschaft, ihre Bedürfnisse und Perspektiven angemessen zu berücksichtigen. Historisch gesehen hat die Diskriminierung gegenüber Menschen mit Behinderung in Deutschland eine lange Tradition. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden Menschen mit Behinderungen als „lebensunwertes Leben“ betrachtet und in einem Programm namens „Aktion T4“ systematisch ermordet. Auch in der Nachkriegszeit gab es lange Zeit wenig Bemühungen, die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu stärken und ihre Integration in die Gesellschaft zu fördern. Die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung äußert sich in Stereotypen wie der Annahme, dass Menschen mit Behinderung unfähig oder abhängig seien und eine soziale Belastung für die Gesellschaft darstellen. Häufig werden Menschen mit geistiger Behinderung als „kindlich“ oder „naiv“ betrachtet, was ihre Fähigkeit, selbstständig Entscheidungen zu treffen oder ihre eigenen Interessen zu vertreten, in Frage stellt. Die Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung zeigt sich u. a. darin, dass die Bedarfe von Menschen mit Behinderung z. B. in der Planung von Veranstaltungen häufig nicht berücksichtigt werden. Diese Diskriminierung kann auch über vorgeblich positive Äußerungen oder Handlungen erfolgen, wenn beispielsweise Menschen mit einer Behinderung gelobt werden, wie vermeintlich gut sie bestimmte Alltagsroutinen „meistern“.

Beispiele:

Schule:

  • Schulen sind häufig so eingerichtet, dass Kinder mit Behinderungen nicht mit der Mehrheit der Kinder lernen können (z. B. fehlender Fahrstuhl oder fehlende Möglichkeiten für sehbehinderte Kinder).
  • In der Schule werden Schüler*innen mit Behinderungen oft aufgrund ihrer Beeinträchtigungen als „langsam“ oder „unfähig“ angesehen und können aufgrund mangelnder Unterstützung und Ressourcen Schwierigkeiten haben, erfolgreich zu lernen.

Arbeitskontext:

  • Im Arbeitsleben werden Menschen mit Behinderung oft aufgrund von Stereotypen über ihre Fähigkeiten und Leistungen nicht eingestellt oder haben Schwierigkeiten, angemessene Anpassungen und Unterstützung am Arbeitsplatz zu erhalten. Sie können auch aufgrund von Barrieren in der physischen Umgebung oder der Arbeitsorganisation benachteiligt sein.
  • Beschäftigte in Werkstätten für Menschen mit Behinderung werden nicht nach Mindestlohn bezahlt.

 

 

ADULTISMUS

Adultismus ist eine Diskriminierungsform aufgrund des Alters und richtet sich gegen junge Menschen. Diese Diskriminierung wird oft von Erwachsenen ausgeübt, die Macht und Autorität haben, um Entscheidungen für jüngere Menschen zu treffen, kann jedoch auch zwischen älteren und jüngeren Kindern auftreten. Hierbei wird die Machtungleichheit zwischen Minderjährigen und Erwachsenen ausgenutzt. Der Machtmissbrauch gegenüber Kindern und Jugendlichen entsteht oft aus Überlegenheitsgedanken, Bequemlichkeit und pauschalisierenden Vorannahmen über das Kind und Jugendlichsein. Ebenso wie bei anderen Diskriminierungsformen entstehen auch hier besondere Anforderungen und Regeln, die einseitig festgelegt werden und nur einseitig wirksam sind. Das heißt, es werden Verhaltensweisen eingefordert und Regeln aufgestellt, die für Kinder und Jugendliche gelten, aber nicht für Erwachsene. Adultismus äußert sich u. a. in Grenzüberschreitungen (z. B. ungefragtes Berühren), in der Sprache („Wir sind doch hier nicht im Kindergarten!“, „Trotzphase“ statt Autonomiephase), Nichtbeachtung (z. B. von Fragen) und körperlicher Gewalt. Adultismus zeigt sich auf unterschiedlichen Wirkungsebenen, zum Beispiel durch die Einschränkung von Freiheiten und die Entscheidungsgewalt von jungen Menschen, Benachteiligung von jungen Menschen in den Bereichen Bildung, Gesundheit oder Freizeit und in der Verharmlosung von Diskriminierungserfahrungen junger Menschen.

In einem engeren Wortsinn bezieht sich der Begriff Adultismus auf die Altersdiskriminierung von Kindern, d. h. von Menschen nach der Geburt bis dreizehn Jahren. In diesem Sinne wird die Diskriminierung von Jugendlichen – nach deutschem Recht sind es Menschen im Alter von vierzehn bis siebzehn Jahren – als Epiphanismus bezeichnet.

Beispiele:

Schule:

  • In einer Schule gilt ein Handyverbot sowohl auf dem Schulhof, im Schulgebäude als auch im Unterricht. Die Lehrkräfte müssen sich jedoch nicht daranhalten. Regelmäßig beobachten Schüler*innen, wie Lehrkräfte während der Aufsicht auf dem Schulhof ihr Handy in der Hand haben. Das Handyverbot gilt also aus nicht rationalen Gründen nur für die Kinder und Jugendlichen und nicht für die Erwachsenen.
  • „Das verstehst Du erst, wenn Du älter bist!“

Arbeitskontext:

  • Eine Jugendliche hat keine Möglichkeit, ihren Traumberuf zu erlernen, da ihre Eltern einen anderen beruflichen Weg für sie festgelegt haben. In dieser Entscheidung wurde die Meinung der Jugendlichen nicht berücksichtigt, da ihre Eltern ihr die Kompetenz aufgrund ihres Alters dazu absprechen.

 

 

ANTI-ASIATISCHER RASSISMUS

Anti-asiatischer Rassismus richtet sich gegen asiatische Menschen sowie Menschen, denen aufgrund äußerer Merkmale eine Herkunft aus süd-, südost- und ostasiatischen Ländern zugeschrieben wird. Die Ursprünge des modernen anti-asiatischen Rassismus gehen auf die Kolonialzeit zurück. Im Jahr 1900 legitimierte etwa Kaiser Wilhelm II. die deutsche Gewalt gegen anti-koloniale Aufstände in seiner berüchtigten „Hunnenrede“ (s. u.) mit der angeblichen „Gelben Gefahr“. Antiasiatischer Rassismus kann widersprüchlich in Erscheinung treten: So werden Asiat*innen aufgrund des ihnen zugeschriebenen Fleißes mitunter als „Vorzeigemigrant*innen“ dargestellt. Gleichzeitig gelten sie aus dem gleichen Grund und wegen ihrer großen Zahl als bedrohlich. So werden Asiat*innen bis heute häufig nicht als Individuen, sondern als Masse von Menschen beschrieben, wobei nicht selten Tierarten als Metapher verwendet werden. Zudem unterscheiden sich die Stereotype auch nach Geschlecht: Während Filme, Bücher und andere Medien asiatische Frauen* häufig sexualisieren und exotisieren, werden Männer* desexualisert und feminisiert.

Solche fortwirkenden Stereotypen führen zu Stigmatisierung, ungleicher Behandlung, Ausgrenzung, Unterdrückung und Gewalt gegen asiatische Menschen, Asiatische Deutsche und Menschen, denen eine Herkunft aus süd-, südost- und ostasiatischen Ländern zugeschrieben wird. Anti-asiatischer Rassismus kann sich in rechtsextremer Gewalt zeigen, wie bei den Pogromen 1991 und 1992 in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen, wo Häuser, in denen vor allem Vietnames*innen wohnten, von Neonazis angegriffen wurden. Zuletzt wurden anti-asiatische Zuschreibungen und Stereotype im Zuge weltwirtschaftlicher Entwicklungen und während der Corona-Pandemie wieder sichtbar.

Beispiele:

Schule:

  • Asiatisch gelesene Schüler*innen werden in der Schule pauschal als „Chinesen“ betitelt, unabhängig davon, woher sie oder ihre Eltern kommen. Es findet folglich keine Differenzierung statt, sondern asiatische Deutsche werden als eine homogene Gruppe betrachtet.

Arbeitskontext:

Asiatisch gelesenen Personen wurde eine Rolle in der Entstehung und Verbreitung von Corona zugeschrieben. Die Zusammenarbeit mit asiatischen oder asiatisch gelesenen Personen wurde in dem Zuge gemieden oder sogar komplett verweigert.

 

 

ANTI-MUSLIMISCHER RASSISMUS

Antimuslimischer Rassismus (AMR) ist eine Form des Rassismus, die sich gegen Menschen muslimischen Glaubens richtet. Er kann sich außerdem gegen Menschen richten, die z. B. aufgrund ihres Aussehens oder ihres Namens als muslimisch wahrgenommen werden. Wie andere Formen von Rassismus geht der AMR auf eine lange Tradition von mittelalterlichen Feindbildern aus der religiös begründeten Auseinandersetzung zwischen „Islam“ und „Christentum“ und die kolonialistische und imperialistische Hegemonie Europas, vor allem im Nahen und Mittleren Osten zurück. Heute äußert er sich unter anderem in der rassistischen Ausgrenzung von Muslim*innen in modernen Migrationsgesellschaften. AMR kann sich in der sprachlichen Gegenüberstellung von Muslim*innen und Deutschen in Beleidigungen, in der Diskriminierung auf dem Arbeits- oder Wohnungsmarkt, in der Schule oder in fehlender oder Missrepräsentation in Medien, Literatur und Kunst zeigen. Drohbriefe an Gemeinden und Moscheen sowie Abwertungen und Hetze im Internet sind weitere alltägliche Ausdrucksformen von antimuslimischem Rassismus.

Obwohl mehrere Millionen Muslim*innen seit langem in Deutschland leben und dort teils sogar geboren und aufgewachsen sind, werden der Islam und Muslim*innen von einem Großteil der nichtmuslimischen Bevölkerung nicht als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft, sondern als ihr fremd wahrgenommen. In seinen extremen Formen äußert sich antimuslimischer Rassismus in gewalttätigen Übergriffen. Auch die Morde des NSU oder der Anschlag in Hanau fanden vor dem Hintergrund rassistischer Ideologie statt, die sich oft gegen „Ausländer“ im Allgemeinen richtet, aber vor allem auf die Gruppe der Muslim*innen zielt.

Legitimiert werden Ausgrenzung und Diskriminierung von Muslim*innen oder als solchen wahrgenommenen durch tradierte Stereotype, wonach Muslim*innen etwa unaufgeklärt und rückständig, fatalistisch und fanatisch, patriarchal und frauenverachtend oder gewalttätig seien. All diese Eigenschaften werden Muslim*innen pauschal zugeschrieben (Homogenisierung der Fremdgruppe), weil sie ihnen qua ihrer Religionszugehörigkeit als unveränderlichem Unterscheidungsmerkmal eigen seien (Essentialisierung und Naturalisierung der als fremdmarkierten Gruppe).

Andere Begriffe, die für antimuslimischen Rassismus verwendet werden, sind Islamophobie, Islam- oder Muslimfeindlichkeit.

Beispiele:

Schule:

  • In einer Schule sind die christlichen Feste Teil der Schulkultur und werden in Schule und Unterricht aufgegriffen und gefeiert. Wichtige muslimische Feste (und auch Feste anderer Religionen) bleiben dagegen unbeachtet, obwohl viele Schüler*innen aus muslimischen Elternhäusern kommen.

Arbeitskontext:

Ein Unternehmen verwehrt muslimischen Mitarbeiterinnen, die ein Kopftuch tragen, den Kund*innenkontakt.

 

 

ANTI-SCHWARZER RASSISMUS

Anti-Schwarzer Rassismus bezeichnet einen spezifischen Rassismus gegenüber Schwarzen Menschen afrikanischer und afrodiasporischer Herkunft. Diese Form des Rassismus hat seinen Ursprung in der europäischen Kolonialgeschichte und der systematischen Ausbeutung und Entmenschlichung Schwarzer Menschen.

Rassismus gegen Schwarze Menschen äußert sich zum Beispiel darin, dass diesen die Zugehörigkeit zu Deutschland abgesprochen wird, dass sie kriminalisiert oder entmenschlicht werden. Häufig sind Schwarze Menschen damit konfrontiert, dass ihnen nicht zugetraut wird, höhere Bildungsabschlüsse zu erreichen. Das Muster der Kriminalisierung von Schwarzen Menschen in Deutschland zeigt sich besonders deutlich im Kontakt mit der Polizei. So erleben Schwarze Menschen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung überdurchschnittlich häufig Polizeigewalt und Polizeikontrollen (Racial Profiling).

In Deutschland ist Anti-Schwarzer Rassismus durch Prozesse des Otherings und eine unzureichende und fehlende Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte geprägt und zeigt sich sowohl auf individueller Ebene als auch auf einer strukturellen Ebene, z. B. in Literatur, Kunst und Musik.

Beispiele:

Schule:

  • Stereotype und abwertende Darstellung von Schwarzen Menschen in Schulbüchern (bspw. Exotisierung durch die Repräsentation Afrikas durch Tierdarstellungen, Naturparks und Safaris; Schüler*innen wird suggeriert, alle Menschen in Afrika seien arm und würden verhungern).
  • Schwarzen Schüler*innen wird oftmals unterstellt, aus einem bildungsfern-gehaltenen Haushalt zu kommen.

Arbeitskontext:

  • Schwarze Kolleg*innen werden in Arbeitsbereichen ohne Kontakt zu Kund*innen eingesetzt, bspw. im Lager oder durch Zuteilung in die Nachtschicht.

Schwarze Beschäftigte erfahren Abwertung durch Kund*innen oder Klient*innen, z. B., wenn der*die Schwarze Mitarbeitende nicht als mögliche Führungskraft erwartet und angesprochen wird.

 

 

ANTISEMITISMUS

Antisemitismus richtet sich gegen jüdische Menschen, kann aber auch auf den Staat Israel zielen. Die Wurzeln eines traditionellen, religiös geprägten Antisemitismus liegen in einer langen Tradition von Judenfeindschaft, deren Bilder, Klischees, Vorurteile und Ressentiments sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt haben, im Grunde aber bis in die Antike zurückreichen und vielfach im christlichen Mittelalter weiter geprägt wurden. In seiner radikalsten, eliminatorischen Form zielt der Antisemitismus auf die Vernichtung der jüdischen Menschen und des Judentums ab. Während rassistische Weltbilder in der Regel „von oben nach unten“ den Ausbau und die Bewahrung bestehender (ungleicher) Machtverhältnisse legitimieren sollen, opponiert der moderne Antisemitismus meist „von unten nach oben“ gegen Entfremdung und Krisenerscheinungen, die aus der vermeintlichen Vormacht von jüdischen Menschen entstehen. Für die Krisen und ihre Folgen wird aber nicht die gesellschaftliche Ordnung verantwortlich gemacht, sondern die Gruppe der jüdischen Personen, die angeblich an der Spitze von Wirtschaft und Medien steht und hinter den Kulissen die Gesellschaft lenkt, selbst von den Krisen profitiert und die Weltherrschaft anstrebt. Der moderne Antisemitismus versteckt sich hinter verschiedenen Chiffren und Codes, die sich auf den ersten Blick nicht explizit gegen jüdische Menschen richten, jedoch implizit antisemitisch sind.

Im Alltag zeigt sich Antisemitismus auf unterschiedlichen Ebenen. Individuell kann er sich in Form von Beleidigungen, Beschimpfungen oder Bedrohungen gegenüber Jüdinnen und Juden oder Israelis manifestieren – etwa in Form von „Judenwitzen“ oder körperlicher Gewalt gegen Menschen, die Kippa tragen oder auf der Straße Hebräisch sprechen. Vor allem in rechten und rechtsextremen Milieus sind antisemitische Verschwörungstheorien oder die nationalistisch begründete Relativierung des Holocausts verbreitet. Wie tief und strukturell antisemitische Bilder und Stereotype verankert sind, zeigt sich auch, wenn jüdische Menschen in Schule, Beruf oder in Medien immer wieder mit ihnen konfrontiert sind. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass jüdische Personen Diskriminierung bei der Einstellung bzw. in Bewerbungsprozessen und bei Beförderungen erfahren, sowie Schikanen in ihrem Arbeitsumfeld oder bei der Vergabe von Projektmitteln erleben. Nicht zuletzt zeigt die Notwendigkeit, dass jüdische Einrichtungen unter Polizeischutz stehen müssen, wie prekär jüdisches Leben in Deutschland ist.

Beispiele:

Schule:

  • Jüdische Schüler*innen erleben antisemitische Witze und Zuschreibungen, z. B., dass Juden und Jüdinnen geldgierig und Teil einer vermeintlich globalen Verschwörung seien.
  • Im Unterricht wird der Holocaust von Schüler*innen oder Lehrkräften verharmlost oder geleugnet.

Arbeitskontext:

  • In einem Unternehmen erleben jüdische Mitarbeiter*innen Schikane (verbal und nonverbal), Beleidigungen und physische Gewalt aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Judentum.

 

 

ANTISLAWISCHER RASSISMUS/ ANTISLAWISMUS

Antislawischer Rassismus bezeichnet die Diskriminierung von Menschen, deren (familiäre) Herkunft geografisch in Mittel- und Osteuropa sowie Südosteuropa liegt oder von Menschen, denen eine solche Herkunft zugeschrieben wird. Der antislawische Rassismus hat vor allem in Deutschland eine lange Tradition, die bis ins 19. Jahrhundert reicht. Sie diente der Legitimation deutscher Vorherrschaft und teils äußerst gewaltsamer Expansionen nach Osten. Diese Diskriminierungsform kann sich auch pauschal gegen die Bevölkerung von Ländern wie Polen, Russland, Ukraine, Serbien, Bulgarien usw. richten oder gegen Menschen, denen die nationale oder ethnische Zugehörigkeit zu einem dieser Länder zugeschrieben wird. Im Nationalsozialismus diente der Antislawismus und die rassistische Zuordnung zu einer »slawischen Rasse« der Abwertung und Entmenschlichung sowie als Begründung für deutsche Kriegs- und Siedlungspolitik“ (Glossar Neue Deutsche Medienmacher). Die abwertenden Fremdzuschreibungen beziehen sich häufig auf Sprache, Kultur und Lebensformen, die als unzivilisiert, arm, unordentlich und schmutzig gelten. Auch sogenannte „Polenwitze“ gehören dazu. Antislawischer Rassismus ist eine Form von Rassismus, die sich gegen Menschen weißer Hautfarbe richtet und sich häufig überschneidet mit Formen von Antisemitismus, Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja, Klassismus und Sexismus. Es existiert außerdem die Bezeichnung antiosteuropäischer Rassismus.

Beispiele:

Schule:

  • Russischen Schüler*innen wird unterstellt, den Krieg Russlands gegen die Ukraine gutzuheißen, ohne, dass etwas über ihre politische Einstellung bekannt ist.
  • Es werden Witze über osteuropäische Schüler*innen gemacht, die angeblich stehlen. Der Grund hierfür liege in ihrer Herkunft.

Arbeitskontext:

  • Ausbeutung von Arbeiter*innen aus südosteuropäischen Ländern in der landwirtschaftlichen Saisonarbeit.
  • Frauen und Mädchen, die aus Osteuropa kommen oder denen eine osteuropäische Herkunft zugeschrieben wird, gelten oft als sexuell freizügig und unterwürfig.

D

DISKRIMINIERUNG

Als Diskriminierung wird die ungerechtfertigte, ungleiche Behandlung oder Herabwürdigung von Menschen aufgrund der ihnen pauschal zugeschriebenen Merkmale bezeichnet, die zum Beispiel aus ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihrem Geschlecht, ihrer Sexualität oder sozialen Position abgeleitet werden. Diskriminierung findet auf individueller, institutioneller und struktureller Ebene statt. Es gibt viele unterschiedliche Arten zu diskriminieren: von Beleidigungen und Demütigungen aufgrund zugeschriebener Merkmale, über Benachteiligung bspw. auf dem Arbeitsmarkt (Schwierigkeiten, einen Job zu finden oder schlechtere Bezahlung), körperliche Gewalt bis hin zu rassistisch begründeten Morden. „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ (GMF) oder „Pauschale Abwertungskonstruktionen“ sind viel verwendete Begriffe, die deutlich machen, was eine Diskriminierung von alltäglichen Beleidigungen unterscheidet.

Menschen, die nicht von Diskriminierung betroffen sind, verfügen in der Gesellschaft meist über mehr Macht und Privilegien als Menschen, die zu diskriminierten Gruppen gehören. Eine ungleiche Verteilung von Chancen und Ressourcen sind Folge und Ausdruck diskriminierenden Denkens und Handelns und letztlich diskriminierender Strukturen. Dabei sind Stereotype, Vorurteile und Zuschreibungen – neutrale, negative wie positive – fester Bestandteil unseres Denkens und Sprechens.

 

 

DISKRIMINIERUNG VON MENSCHEN MIT BEHINDERUNG

siehe Ableismus

 

 

ALTERSDISKRIMINIERUNG

Altersdiskriminierung ist eine Form von Diskriminierung aufgrund des Lebensalters. Sie richtet sich gegen Menschen aufgrund ihres (kalendarischen) Alters und beinhaltet oft die Annahme, dass Menschen aufgrund ihres Lebensalters bestimmte Fähigkeiten entweder noch nicht oder nicht mehr besitzen. Diskriminierung von älteren Menschen beruht auf Vorstellungen über das Altern und der Idee, dass Jugend und Produktivität wertvoller sind als Alter und Erfahrung. In der Geschichte moderner europäischer Gesellschaften hat die Altersdiskriminierung eine besondere Bedeutung erlangt, als die Bevölkerung in vielen Ländern immer älter wurde und die Sorge um die Absicherung der Renten- und Gesundheitssysteme zunahm.

Die Diskriminierung von Kindern und Jugendlichen ist auch unter dem Begriff Adultismus bekannt.

Beispiele:

Schule:

  • Wenn ältere Lehrkräfte im Umgang mit Technik und Medien als weniger kompetent oder weniger fähig angesehen werden.

Arbeitskontext:

  • Ein Betrieb entscheidet, ältere Arbeitnehmer*innen zu entlassen, um Kosten zu sparen, ohne Rücksicht auf ihre Fähigkeiten und Erfahrungen zu nehmen.

H

HETEROSEXISMUS

Heterosexismus ist eine Form von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, die davon ausgeht, dass heterosexuelle Beziehungen und heterosexuelle Identitäten die Norm sind und somit als überlegen betrachtet werden. Heterosexismus richtet sich gegen Menschen, die nicht in diese Norm passen, insbesondere LGBTIQ+ Personen. Heterosexismus hat den Ursprung in einer binären und heteronormativen* Sichtweise von Sexualität und Geschlecht, die oft in Religion, Kultur und Gesellschaft verankert ist. Heterosexismus äußert sich in Stereotypen wie der Annahme, dass alle Menschen heterosexuell sind und dass LGBTIQ+ Personen psychisch krank und damit geheilt werden können oder pervers sind.

Heterosexismus zeigt sich auf unterschiedlichen Wirkungsebenen (individuell, institutionell, strukturell), zum Beispiel durch verbale oder physische Gewalt oder subtilere Formen des Ausschlusses.

* Heteronormativität meint die als natürlich angesehene, ausschließliche binäre Geschlechtereinteilung in Mann und Frau. Gegenseitiges heterosexuelles Begehren, und binäre Rollenbilder für Männer und Frauen entsprechen demnach der gesellschaftlichen Norm.

Beispiele:

Schule:

  • In Schulbüchern werden keine queeren Lebensrealitäten abgebildet und die dargestellten Familien bestehen immer nur aus Vater, Mutter und Kindern. Queeren Familien wird von Lehrkräften hingegen unterstellt, sie seien keine richtige Familie.
  • Queere Eltern werden in der Schule abgewertet und nicht ernst genommen, wenn sie z. B. zum Elterngespräch gehen.

Arbeitskontext:

  • Verwendung von heteronormativer Sprache in Stellenanzeigen oder Geschäftsmaterialien, die queere Menschen ausschließt oder ausgrenzt.
  • Entlassung oder Benachteiligung von queeren Arbeitnehmer*innen aufgrund ihrer Identität oder sexuellen Orientierung.

K

KLASSISMUS

Klassismus ist eine Form von Diskriminierung aufgrund der sozialen Klasse oder des sozialen Status. Klassismus richtet sich z. B. gegen von Armut betroffene, erwerbslose und auf staatliche Leistungen angewiesene Menschen, obdachlose Menschen, aber auch gegen Arbeiter*innen und ihre Nachkommen. Dabei werden bestimmte Gruppen als „besser“ oder „wertvoller“ betrachtet als andere. Klassismus äußert sich oft in Stereotypen wie: „Arme Menschen sind faul, dumm oder ungebildet“. Diese Stereotype führen dazu, dass Menschen aufgrund ihres sozialen Status ungerecht behandelt werden und diesen nur schwer verlassen können.

Klassismus kann sich auf verschiedenen Wirkungsebenen zeigen. Individuelle Diskriminierung kann sich in Form von Beleidigungen, Ausgrenzung oder Vorurteilen gegenüber Einzelpersonen und bestimmten Gruppen äußern. Institutioneller Klassismus kann sich in Form von strukturellen Ungleichheiten im Bildungssystem, auf dem Arbeitsmarkt oder auf dem Wohnungsmarkt ausdrücken. Charakteristisch für Klassismus ist die Undurchlässigkeit sozialer Klassen, welche sich im Bildungssystem reproduziert.

Darüber hinaus verfügen Menschen mit höherem sozialen Status kaum über Kontakte zu und Wissen über das Leben, Denken und die Erfahrungen sozial benachteiligter Menschen. Dennoch werden die Positionen und Verhaltensweisen sozial benachteiligter Menschen sowohl in der Schule als auch in der Politik bewertet, gefördert oder sanktioniert.

Verhaltens- und Ausdrucksformen sozial benachteiligter Jugendlicher an Schulen werden zusätzlich abgewertet, statt diese als Ausdruck von Frust und Wut über den eigenen niedrigen sozialen Status und die spürbare Ausgrenzung zu begreifen.

Beispiele:

Schule:

  • Wenn Lehrkräfte aufgrund der sozialen Herkunft, des Aussehens oder dem Kleidungsstil von Schüler*innen Vorurteile haben, ihnen weniger zutrauen und sie trotz gleicher Leistungen schlechter bewerten als Schüler*innen aus einkommensstarken Haushalten.
  • Wenn Kinder aus einkommensschwachen Familien seltener Zugang zu Nachhilfe oder erschwerten Zugang zu Freizeitangeboten haben.

Arbeitskontext:

  • Menschen mit einem höheren sozialen Status haben oft bessere Karrierechancen, da sie auf ein machtvolles Netzwerk von Personen und Institutionen zurückgreifen können, welches ihnen Zugang zu bestimmten Informationen und Positionen ermöglicht. Meist sind ihnen diese Privilegien nicht bewusst und sie nehmen an, sie hätten es sich verdient.

L

LOOKISMUS / BODYSHAMING

Lookismus / Bodyshaming ist eine Form von Diskriminierung aufgrund des Aussehens und von Schönheitsidealen. Es richtet sich gegen Personen, die nicht den gesellschaftlichen Schönheitsidealen entsprechen, bspw. aufgrund ihrer Gesichts- und Körperform, ihres Gewichts oder ihrer Größe. Der Ursprung von Lookismus / Bodyshaming liegt in der gesellschaftlichen Norm, die bestimmte Körper- und Schönheitsstandards als „richtig“ oder „schön“ ansieht, während abweichende Körper als „falsch“ oder „unattraktiv“ stigmatisiert werden. Medien wie Zeitungen, Fernsehen, Film, Werbung, Musik und Internet beeinflussen, was als attraktiv gilt.

Lookismus / Bodyshaming äußert sich oft in Stereotypen und Vorurteilen wie „dünn ist schön“ oder „fett ist faul“. Die Normierung von Körperformen ist irreführend, da dicke Menschen nicht zwangsläufig ungesund oder unsportlich sind und dünne Menschen nicht unbedingt glücklicher sind. Trans*personen, deren Körper von binären Geschlechternormen abweichen, erleben auch lookistische Diskriminierung. Lookismus / Bodyshaming kann sich unterschiedlich auswirken, zum Beispiel durch Mobbing, Spott, Diskriminierung, Ausgrenzung oder körperliche Gewalt gegenüber Menschen, die als „anders“ betrachtet werden. Es kann zu schwerwiegenden psychischen und körperlichen Folgen führen, wie z. B. Essstörungen, Depressionen oder Angstzuständen.

Beispiele:

Schule:

  • Lehrer*innen bewerten Schüler*innen aufgrund ihres Aussehens unterschiedlich, z. B. geben sie „hübschen“ Schüler*innen bessere Noten.
  • Schüler*innen mit bestimmten Merkmalen (z. B. Brille, Akne) werden stärker stigmatisiert und diskriminiert als andere.

Arbeitskontext:

  • Arbeitnehmer*innen, die als attraktiv wahrgenommen werden, werden bei der Beförderung bevorzugt.
  • In der Modebranche werden körperlich diversere Models eingesetzt, da dies für Firmen ein wirtschaftlich lukrativer Faktor ist. Menschen außerhalb der Konfektionsgrößennorm müssen ihre Kleidung jedoch überwiegend in speziellen Abteilungen oder Geschäften kaufen.

M

MEHRFACHDISKRIMINIERUNG UND INTERSEKTIONELLE DISKRIMINIERUNG

Mehrfachdiskriminierung bezieht sich auf die Diskriminierung von Personen, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu mehreren benachteiligten Gruppen wie z. B. Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Sexualität, Behinderung oder Klasse diskriminiert werden. Intersektionalität bezieht sich hier auf die Verflechtung von verschiedenen Diskriminierungsformen, die gleichzeitig auf eine Person einwirken und sich gegenseitig verstärken können. Mehrfachdiskriminierung und intersektionelle Diskriminierung können zu einem noch höheren Grad an sozialer Ausgrenzung und Benachteiligung führen als Einzeldiskriminierung. Menschen, die aufgrund von mehreren Merkmalen diskriminiert werden, haben oft mit einer Vielzahl von Hindernissen und Herausforderungen zu kämpfen, die sich aus ihrer einzigartigen Erfahrung ergeben.

Beispiele:

Schule:

  • Eine Schwarze muslimische Schülerin erlebt eine spezifische Form der Diskriminierung, die sich sowohl auf ihr Schwarz-Sein als auch auf ihr Muslimisch-Sein bezieht. Sie wird als Schwarzes, muslimisches Mädchen diskriminiert, z. B. wenn ihr unterstellt wird, sie würde in ihrem Elternhaus nicht so viele Rechte haben wie ihre Brüder. Dies ist ein Beispiel für intersektionelle Diskriminierung.

Arbeitskontext:

  • Eine ältere Frau mit Behinderungen wird im beruflichen Umfeld aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters, ihrer Geschlechtszugehörigkeit und ihrer Behinderungen diskriminiert. Diese Diskriminierung zeigt sich in Form von ungleicher Bezahlung und einer nicht barrierefreien Damen-Toilette. Dies ist ein Beispiel für Mehrfachdiskriminierung.

Unter folgendem Link werden die Unterschiede zwischen verschiedenen Formen von Mehrfachdiskriminierung und Intersektionalität genauer erklärt: https://www.unia.be/de/diskriminierungsgruende/mehrfachdiskriminierung-und-intersektionalitaet

Q

QUEERFEINDLICHKEIT

Queerfeindlichkeit ist eine Form von Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität oder Geschlechtsausdruck (Präsentation und Verhaltensweisen, die eine Person wählt, um ihr Geschlecht gegenüber anderen auszudrücken) und richtet sich gegen queere bzw. LGBTIQ+-Personen. Betroffen sein können homosexuelle, bisexuelle, transgender, nicht-binäre und andere Personen, die sich nicht in die traditionelle Ordnung von Geschlecht und Sexualität einfügen und damit von der gesellschaftlichen Norm abweichen. Die Ursprünge der Queerfeindlichkeit sind oft tief in sozialen Normen verwurzelt, die all jene, die davon abweichen, als „anormal“ stigmatisieren. Diese Einstellungen können auch durch religiöse, kulturelle oder politische Überzeugungen geprägt sein.

Queerfeindlichkeit äußert sich in Vorurteilen, dass LGBTIQ+-Personen „unnatürlich“ oder „krankhaft“ seien (Pathologisierung), oder in der Verwendung abwertender Begriffe, um ihre Identitäten zu beschreiben. Vielfach wird angenommen, dass Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung eine Wahl seien.

Queerfeindlichkeit zeigt sich auf unterschiedlichen Ebenen. Individuell kann sie zu Belästigung, Diskriminierung und Gewalt gegenüber LGBTIQ+-Personen führen. Institutionell kann Queerfeindlichkeit in diskriminierenden Praktiken bei der Arbeit, in der Gesundheitsversorgung oder Bildung auftreten. Strukturelle Queerfeindlichkeit betrifft tiefer verwurzelte Systeme und Gesetze. Zum Beispiel wird im Grundgesetz nur von der Gleichstellung von Mann und Frau gesprochen. Personen außerhalb des binären Geschlechtermodells werden nicht berücksichtigt.

Beispiele:

Schule:

  • In der Schule wird „schwul“ unter den Schüler*innen als eine gängige Beleidigung verwendet.
  • Nachdem eine Schülerin erzählt, dass sie mit einem anderen Mädchen zusammen ist, wollen einige ihrer Mitschüler*innen nicht mehr mit ihr sprechen und meiden sie.

Arbeitskontext:

  • Wenn Unternehmen keine angemessenen Richtlinien und Unterstützung für Namens- und Pronomenänderungen bieten, kann dies zu Unwohlsein und Diskriminierungserfahrungen für transgender Mitarbeiter*innen führen.

R

RASSISMUS

Rassismus beschreibt eine spezielle Form der Diskriminierung aufgrund tatsächlicher körperlicher oder kultureller Merkmale wie Hautfarbe, Herkunft, Sprache oder Religion. Grundlage von Rassismus ist die Konstruktion homogener Gruppen entlang bestimmter Merkmale und eine Zuschreibung bestimmter Eigenschaften, wie etwa unzivilisiert oder irrational zu sein. Diese Eigenschaften werden als unveränderbar betrachtet und dienen meistens der Abwertung. Mit solchen negativen Zuschreibungen werden Gruppen von „Anderen“ (z. B. die „Ausländer“) in Abgrenzung zur positiv bewerteten Wir-Gruppe (z. B.  „wir Deutsche“) konstruiert. Es geht beim Rassismus also nicht darum, was Menschen tatsächlich tun oder wie sich Menschen selbst verstehen und beschreiben, sondern um Abwertung und Ausgrenzung: Die negative Konstruktion einer Gruppe bildet die Grundlage zur Rechtfertigung der Abwertung und Ausgrenzung von Menschen, die dieser Gruppe zugerechnet werden.

Der klassische (biologistische) Rassismus behauptet, dass es aufgrund von angeblich biologischen Unterschieden eine Ungleichheit und Ungleichwertigkeit zwischen Menschengruppen gebe. Im (kulturalistischen) Neorassismus werden Ungleichheit und Ungleichwertigkeit mit angeblichen Unterschieden zwischen verschiedenen „Kulturen“ begründet.

Rassismus kann sich auf individueller Ebene (z. B. rassistische Beleidigungen) oder auf struktureller Ebene (Gesetze und systematische Benachteiligungen etwa auf dem Wohnungsmarkt) oder in Organisationen und Institutionen (wie Medien oder Schule) zeigen. Er vollzieht sich immer „von oben nach unten“, d.h. im Kontext von ungleichen Machtverhältnissen und durch Individuen oder Gruppen, die sich selbst überlegen fühlen.

Stereotype Bilder und Vorstellungen, die Gruppen von „Anderen“ konstruieren und abwerten, durchziehen die gesamte Menschheitsgeschichte. Der moderne Rassismus hat seinen Ursprung im europäischen Kolonialismus. Er diente der rationalen Rechtfertigung von Entrechtung, Versklavung und Ermordung von Millionen Menschen außerhalb Europas. Nach dem Ende von Sklaverei und Kolonialismus wirken postkoloniale rassistische Denkmuster und Strukturen weltweit fort. In Deutschland stellen der Antisemitismus und der planmäßige Massenmord an anderen Minderheiten während der Zeit des Nationalsozialismus eine spezifische Form des Rassismus dar (s. Antisemitismus oder Rassismus gegen Rom*nja und Sinti*zze).

Beispiele:

Schule:

  • Bei der Berufsberatung wird jungen Schüler*innen mit einer Migrationsgeschichte geraten, doch lieber Bäcker*in oder Friseur*in zu werden, anstatt ein Studium zu beginnen. Es wird davon ausgegangen, dass die Eltern nicht an einer akademischen Laufbahn der Kinder interessiert sind.
  • Schüler*innen mit Migrationsgeschichte werden automatisch als Expert*innen für eine bestimmte geografische Region angesprochen, nur weil ihre Eltern oder Großeltern von dort kommen.

Arbeitskontext:

  • Ein Unternehmen „versteckt“ Mitarbeitende mit Migrationsgeschichte, indem sie nur in Arbeitsbereichen ohne Kontakt zu Kund*innen (bspw. im Lager oder in der Nachtschicht) eingesetzt werden.

 

 

RASSISMUS GEGEN ROM*NJA / SINTI*ZZE

Diese Form des Rassismus beschreibt den Rassismus gegenüber Rom*nja und Sinti*zze sowie Menschen, denen eine Zugehörigkeit zu dieser Gruppe zugeschrieben wird. (Mit dem Begriff Sinti*zze werden meist die westeuropäischen Rom*nja benannt, die etwa in Deutschland seit mehr als 600 Jahren leben.) Andere Begriffe sind: Antiromanismus, worunter auch der Rassismus gegenüber Menschen etwa aus Bulgarien, Rumänien oder der Republik Moldau fällt, die sich nicht zu den Rom*nja zählen; Gadjé-Rassismus ist ein Begriff, der mit den Nicht-Roma (Gadjé) die Menschen benennt, die den Rassismus ausüben; Antiziganismus ist der wohl bekannteste Begriff, der aber von einigen Repräsentant*innen abgelehnt wird, weil er die rassistische Bezeichnung reproduziert.

Auch diese Form des Rassismus ist historisch gewachsen. Bereits im Mittelalter existierten Vorurteile gegenüber Sinti*zze und Rom*nja. Sie galten als fremd und bedrohlich für die Mehrheitsbevölkerung. Häufig wurde ihnen der Zugang zu Städten und Berufen verwehrt. Im Laufe der Jahrhunderte wurden Rom*nja und Sinti*zze gesellschaftlich ausgeschlossen und ihnen wurde teils systematisch der Zugang zu Bildung verwehrt. Der Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja gipfelte in einen Völkermord, den Porajmos (deutsch: das Verschlingen) währen des Nationalsozialismus, als in Europa bis zu 500.000 Sinti*zze und Rom*nja ermordet wurden.

Die rassistischen und sich häufig mit sexistischen und klassistischen überschneidenden Haltungen, Denkmuster und Stereotype prägen das Bild von Sinti*zze und Rom*nja in Europa bis heute. Angehörige der Sinti*zze und Rom*nja gelten demnach oft als minderwertig, schmutzig, faul, patriarchal und unterlegen – mitunter wird die ihnen zugeschriebene Lebensart auch exotisiert. Häufig wird ihnen die Zugehörigkeit zu Deutschland abgesprochen, spezifische Formen von Kriminalität unterstellt und angenommen, die Kinder seien nicht beschulbar. Viele deutsche Sinti*zze und Rom*nja verbergen vor dem Hintergrund dieser verbreiteten Klischees und Zuschreibungen ihre Zugehörigkeit – auch (oder gerade), wenn sie gut situiert sind und in angesehenen Berufen arbeiten.

Beispiele:

Schule:

  • Kindern aus Rom*nja- und Sinti*zze-Familien wird kein hoher Bildungsabschluss zugetraut und sie werden bei Förderbedarfen oder fehlenden Deutschkenntnissen schneller einer Förderschule zugewiesen.
  • Schüler*innen werden mit dem Z*-Wort beleidigt und es wird ihnen unterstellt, sie würden stehlen.

Arbeitskontext:

  • Ein*e Rom*nja bzw. Sinti*zze wird von ihren/seinen Kolleg*innen mit „positiven“ wie negativen Stereotypen (Musik, Kriminalität) konfrontiert.
  • Im Pausenraum erzählen Kolleg*innen „Z*“witze.

S

SEXISMUS

Sexismus ist eine Form von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der Geschlechtsidentität. Er richtet sich primär gegen Frauen, Transpersonen, Non-Binary-Personen und andere Geschlechter. Sein Ursprung liegt in patriarchalen und binären Geschlechterrollen und -stereotypen. Sexismus äußert sich in Stereotypen wie der Vorstellung, dass Frauen emotionaler oder weniger fähig sind als Männer oder dass Männer (von Natur aus) aggressiv und rational sind. Auch das Sexualisieren oder Objektivieren von Menschen aufgrund ihres Geschlechts fällt darunter.

Beispiele:

Schule:

  • Lehrkräfte, die Mädchen in Mathe- und Naturwissenschaftskursen weniger fördern als Jungen, weil sie glauben, dass diese Fächer für Mädchen zu schwierig sind.
  • Es gibt nur eine Toilette für Jungen und eine Toilette für Mädchen in der Schule. Es gibt jedoch auch Schüler*innen, die sich keinem Geschlecht zuordnen können und deswegen versuchen, es zu vermeiden, in der Schule auf die Toilette zu gehen.

Arbeitskontext:

  • Frauen werden oft in traditionell weibliche Berufe wie aus den Bereichen Pflege oder Erziehung gedrängt, während Männer in technischen Berufen und meist besser bezahlten Positionen arbeiten.
  • Frauen erhalten oft weniger Gehalt als Männer, obwohl sie die gleiche Arbeit leisten – „Gender-Pay-Gap“.

T

TRANSFEINDLICHKEIT

Transfeindlichkeit ist eine Form der Diskriminierung und des Vorurteils gegenüber transgender/transgeschlechtlichen und nicht-binären Personen aufgrund ihrer Geschlechtsidentität und ihres Geschlechtsausdrucks (Präsentation und Verhaltensweisen, die eine Person wählt, um ihr Geschlecht auszudrücken.) Transfeindlichkeit richtet sich gegen Menschen, die ihr Geschlecht nicht mit den traditionellen Vorstellungen von Geschlecht und Identität in Einklang bringen können oder wollen. Sie kann sich in Form von Ablehnung, Missbrauch, Stigmatisierung und Gewalt manifestieren. Die Ursprünge der Transfeindlichkeit liegen in gesellschaftlichen Normen und Vorstellungen über Geschlecht und Identität, die oft binär und eingeschränkt sind. Transfeindlichkeit äußert sich in abwertenden Bemerkungen, dem absichtlichen Missbrauch von Namen oder Pronomen, gewalttätigen Übergriffen oder der Weigerung, transgender oder nicht-binäre Personen gleiche Rechte und Anerkennung zuzugestehen. Transfeindlichkeit zeigt sich auf unterschiedlichen Wirkungsebenen. Individuell kann sie zu psychischem Stress, Isolation und gesundheitlichen Problemen führen. Institutionell kann sich Transfeindlichkeit in Diskriminierungen bei der Arbeitsplatzsuche, der Gesundheitsversorgung und in rechtlichen Anerkennungsverfahren ausdrücken. Strukturelle Transfeindlichkeit betrifft die gesellschaftlichen Systeme und Normen, die die Gleichstellung und Sicherheit dieser Personengruppe behindern. Aufgrund von Hindernissen bei der Anpassung des Geschlechtseintrags im Personenstandsrecht, kann es zu Problemen bei der Erfassung des Geschlechts in offiziellen Dokumenten und bei alltäglichen Aktivitäten wie Bestellungen im Internet und Formularen geben. Zudem haben Transpersonen häufig Schwierigkeiten, angemessene medizinische Versorgung zu erhalten, insbesondere wenn es um geschlechtsangleichende Behandlungen und Hormontherapien geht.

Beispiele:

Schule:

  • Eine Lehrkraft weigert sich, eine Schülerin mit ihrem selbstgewählten Namen anzusprechen.
  • In einer Schule gibt es keine Möglichkeit für Transpersonen, eine genderneutrale Toilette aufzusuchen.

Arbeitskontext:

  • Kolleg*innen und Vorgesetzte verwenden nicht die gewünschten Pronomen einer Trans*Person.
  • Eine Trans*Person erfährt aufgrund der „Lücke“ im Lebenslauf (durch z. B. Transition) Nachteile im Bewerbungsverfahren.

Logo des Kompetenznetzwerkes „Islamistischer Extremismus“ (KN:IX)
Die Beiträge im Portal dieser Webseite erscheinen als Angebot von ufuq.de im Rahmen des Kompetenznetzwerkes „Islamistischer Extremismus“ (KN:IX).
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